Bluteis: Thriller (German Edition)
Arnold-Schwarzenegger-mäßigen amerikanischen Akzent unter sein Kärntnerisch gehoben. »Grüß Gott, Albert! Ich freu mich so!«, rief er und schenkte seinem Gast ungefragt und ungeachtet der Tageszeit einen Bourbon ein. »Setzen Sie sich zu mir!«, bat er Sonndobler in väterlicher Manier zu sich auf die opulente Ledercouch. Gegenüber knisterte das Feuer – es war überraschenderweise echt – in einem Marmorkamin, dessen Breite sich an der durchschnittlichen Garageneinfahrt eines Mitteleuropäers zu orientieren schien. Darüber hingen die Porträts von Peter Staiger und seiner im vergangenen Jahr verschiedenen Gattin Jacqueline. Staiger hatte die ehemalige Miss USA in den sechziger Jahren geheiratet. Im August war Jackie, wie sie von Freunden genannt worden war, beim Baden im Pool einfach nicht mehr aufgetaucht. Herzversagen.
»Das mit Jackie«, Sonndobler deutete auf das Ölbild, »tut mir sehr leid. Sie haben meine Karte erhalten.« Anstandshalber roch er am Whiskey und benetzte seine Oberlippe damit, ohne davon zu trinken.
»Oh, well, natürlich, vielen Dank, mein lieber Albert. Schade, dass Sie nicht zum funeral kommen konnten.«
»Ja, wirklich. Tut mir sehr leid.«
»Ein paar Buddies und ich sind danach zum Golfen, und einer hatte eine Flinte dabei. Wir haben vom Clubhaus aus versucht, die Bälle der anderen Spieler nach dem Abschlag des achtzehnten Lochs abzuknallen. Big fun. « Peter Staiger schlug sich auf den Oberschenkel. Der Mann golfte offenbar gern, er trug eine karierte Hose und ein pinkes Poloshirt. »Machen Sie nicht so ein Gesicht, Albert. Erstens haben die Toten nichts davon, wenn die Lebenden keinen Spaß haben. Zweitens gehört der Golfplatz mir.« Staiger grinste und hielt Sonndobler einen Humidor vor die Nase. Als sich Sonndobler dankend enthielt, nahm Staiger eine Cohiba größeren Formats, schnitt das geschlossene Ende ab, holte ein Feuerzeug aus der Golfhose und brannte das Deckblatt der Zigarre rundherum an. Dann zog und paffte er an dem teuren Stück, wobei er beeindruckende Wolken produzierte. »Well, was führt Sie zu mir, Albert?«
»Zwei Dinge, Peter. Zunächst wollte ich mit Ihnen die Osterbacher-Nachfolge besprechen. Wie Sie vielleicht wissen, hat mich Lex Kayser kurz vor seinem unglücklichen Tod zu seinem Nachfolger bestimmt.«
»Oh, hat er das?«, staunte Staiger. »Mir ist nichts bekannt. Gibt es da etwas Schriftliches?«
»Er hat es mir im Vertrauen gesagt. Und Sie gehören zu denen, die wissen, was er vorhatte.«
»Tue ich das?«, fragte der Österreicher und stellte sich dumm.
»Oder etwa nicht? Das würde mich aber sehr überraschen«, schmeichelte Sonndobler.
»Well, mein lieber Albert, Sie gehen ja in die Vollen. Das schätze ich so an Ihnen. Immer geraderaus. Spursicher wie ein Schweizer Militärfahrrad. Entschuldigen Sie, Velo sagt man ja bei Ihnen.«
»Nun, habe ich Ihre Unterstützung, Peter?«
»Eigentlich ist das ja ein Job, der auch für mich etwas wäre, was meinen Sie?«
Kurzes Schweigen erfüllte den Raum.
»Aber, nein, ich mache nur einen Spaß mit Ihnen, Albert. Ich bin eingespannt genug. Mein Handicap würde schneller, als ich zusehen kann, nach oben klettern, wenn ich den Job auch noch machen würde. Also nein, ich mach es nicht. Das ist wie mit dem Amt des Papstes. Da sollte auch endlich mal ein Jüngerer dran. Von daher sind Sie schon der Richtige, mein lieber Albert. Ihr Netzwerk ist ausgezeichnet, Sie wissen, wer wo eine Leiche im Keller hat – sofern dieser Keller mit einem Vorhängeschloss der Caisse Suisse gesichert ist –, und Sie sind ein zielstrebiger und durchsetzungsstarker Mann, der auch über große analytische Fähigkeiten verfügt. Wenn es also nach mir ginge, mein lieber Albert: Machen Sie’s.«
»Danke«, sagte Sonndobler nur.
»Aber es geht nun mal nicht nur nach mir. Sie müssen die da drüben überzeugen.« Peter Staiger deutete über den Fluss in Richtung der Südspitze Manhattans, wo der Financial District lag.
»Das weiß ich. Darum bin ich hier, bis einschließlich Montag. Die einen haben eben am Freitag keine Zeit, die anderen am Samstag und die dritten am Sonntag.«
»Das haben Sie sehr schön und politisch korrekt ausgedrückt: ›Die einen haben am Freitag keine Zeit, die anderen am Samstag und ganz die anderen am Sonntag.‹ Da merkt man, dass Sie der neuen Generation angehören. Wir hätten noch gesagt: ›Die dahergelaufenen Kameltreiber, die alten Rübennasen und die Makkaroni-Mafia.‹
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