Bluteis: Thriller (German Edition)
Herzerfrischend, ihr jungen Menschen! Darauf trinken wir, mein lieber Albert.« Er goss sich und Sonndobler nach, obwohl sich der Flüssigkeitsspiegel in dessen Whiskey-Tumbler bisher nicht abgesenkt hatte.
»Ach, Peter, wissen Sie, Ihre Generation besteht halt noch aus echten Antisemiten und Chauvinisten. Wir Jungen sind da vollkommen agnostisch. Hauptsache, die Kohle stimmt. Ist doch so.«
Peter Staiger schlug sich vor Vergnügen auf die Knie. »Der Sonndobler. Immer eine kesse Lippe. Immer geraderaus. Bewundernswert, Ihr Schmäh, mein Lieber! Sie meinen, euer Antisemitismus ist einfach unter einer Schicht Gold versteckt. Keine Angst, das war unserer auch. Glauben Sie, Leute wie Lex Kayser oder ich hätten es sonst so weit gebracht? Haben Sie eine Ahnung, was unsere Väter zwischen ’33 und ’45 so angestellt haben? Meiner war in Polen. Aber nicht an der Front. Er verrichtete seinen Dienst hinter der Linie, wenn Sie verstehen. Aber Sie haben natürlich recht, und da tut es gar nichts zur Sache, ob Sie jetzt Antisemit oder Chauvinist oder Rassist sind oder nicht: Ohne die, die am Freitag, Samstag oder Sonntag keine Zeit haben, wird es mit Ihrer Osterbacher-Karriere nichts werden. Und ich sage Ihnen: Dass Ihr Vorgänger in spe ausgerechnet in Ihrem Büro einen Schwächeanfall erleidet und sich den Schädel an Ihrem Couchtisch bricht, ist nicht überall gut angekommen. Sie wissen, wie eng Lex Kayser mit denen, die am Samstag und Sonntag nicht arbeiten, verbandelt war. Eben weil er zur alten Garde gehörte. Er hat zeit seines Lebens ihre Vermögen besser behütet, als eine ganze Menge neumodischer und agnostischer Investmentbanker das getan haben. Nur mit denen, die am Freitag in die Moschee gehen, hatte er seine Probleme. Aber mit denen können Sie ja ganz gut, wie ich höre. Um ganz ehrlich zu sein: Dass Sie überhaupt eine Chance haben, verdanken Sie dem Umstand, dass Ihr Haus und damit Sie die Gelder von denen da drüben in Manhattan besser durch die Krise bekommen haben, als das anderen gelungen ist. Auch wenn die einen am Freitag, die anderen am Samstag und ganz die anderen am Sonntag die Dinge ruhen lassen, weil sie meinen, dass es ihrem jeweiligen Herrgott gefällt: Der Mammon ist doch auch deren wahre Religion.«
»Die Stimmung ist also nicht grundsätzlich gegen mich?«
»Könnte besser sein. Könnte aber auch viel schlechter sein. Und es interessiert die da drüben auch gar nicht, was genau in Ihrem Büro passiert ist. Solange der bessere Mann auf den guten folgt. Ich frage mich nur, ob Sie nicht auch nach Indien und China fliegen müssen. Die haben doch auch bei uns längst die Finger mit drin. Von wegen ›Transatlantische Organisation‹. Die Osterbacher sind doch spätestens seit der Tagung 2015 streng auf Asienkurs.«
»Da habe ich meine Kontakte, danke schön«, antwortete Sonndobler knapp.
»Na, jedenfalls: Nicht alles, was Lex Kayser gerade in den letzten Jahren geplant und begonnen hat, war der reine Segen für die Menschheit.«
Damit kam der alte Österreicher zum eigentlichen Grund von Sonndoblers Besuch – hoffte dieser jedenfalls –, ohne dass er ihn darauf hatte stoßen müssen.
»Es gibt da gewisse Dinge, die …«, Peter Staiger erhob sich mit einer für sein Alter erstaunlichen Behendigkeit aus dem Ledermöbel, »… die ich gern mit Ihnen bei einer Runde Golf besprechen möchte.«
»Ich habe einen sehr vollen Terminkalender, Peter«, versuchte sich Sonndobler herauszuwinden.
»Ich weiß, heute sind die dran, die am Sonntag nichts tun. Aber die können Sie doch den ganzen Nachmittag und am Abend mit Ihrer Anwesenheit beglücken. Jetzt lassen Sie mir doch den Spaß, einen fast halb so alten Mann im Golf abzuziehen.«
»Ich habe ein Handicap, das des Ihren nicht würdig ist, Peter.«
»Das ist ja das Schöne am Golf. Man spielt ja für sich. Dazu gibt es ja Handicaps.«
Es half nichts. Sonndobler musste wohl oder übel mit Peter Staiger in dessen Ferrari klettern – was der über Siebzigjährige ebenfalls mit Bravour absolvierte – und zum Long Island Golf- and Country-Club düsen, der gottlob nur fünf Minuten vom Haus des ULC-Chefs entfernt lag. Dort erhielt Sonndobler die Gelegenheit, sich im Pro-Shop sportartgerecht einzukleiden. Als er schließlich in einer ebenso karierten Hose, wie Peter Staiger sie zu trug, einem hellblauen Poloshirt, nagelneuen Golfschuhen und einer dunkelblauen Windjacke und mit einem Golf-Cap auf dem Kopf aus dem Clubhaus trat, wartete Staiger
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