Bluteis: Thriller (German Edition)
Schlüsselfiguren in einem internationalen Megadeal. Sie können darauf wetten, dass auch ihre Angehörigen und ihre Mitarbeiter nie etwas tun werden, um dieses Spiel auffliegen zu lassen.«
»Muss ich das verstehen?«
»Nein. Sie sollen diese Leute nur ausfindig machen.«
»Haben Sie nicht genug Mitarbeiter? Was sind Sie eigentlich, so eine Art James Bond? Dürfen Sie das alles? Mich anheuern, um Ihre persönliche Theorie zu beweisen? Das soll ich doch, oder?«
Steiner schwieg.
Thien fasste zusammen: »Entweder nach Guantanamo oder als persönlicher Hitman für einen durchgeknallten Schweizer Geheimagenten arbeiten, der mich wahrscheinlich niemals gesehen hat, wenn irgendwas schiefläuft. Ist das meine Wahl?«
»Und dabei Ihre schwangere Frau retten, lieber Baumgartner. Ja, so sehen die beiden Alternativen aus.«
»Ich, ganz allein?«
»Ein Kollege steht Ihnen zur Seite, der ein wenig besser mit Waffen umgehen kann als Sie.« Steiner griff zum Telefonhörer an der Wand und blaffte auf Schweizerdeutsch einen kurzen Befehl.
Keine zwei Minuten pochte jemand an die Tür des Zimmers.
Auf Steiners »Herein!« schwang die Tür auf, und ein Mann in olivgrünen Cargohosen und Militärpullover trat ein.
Thien brauchte drei Sekunden, um das Gesicht hinter dem Vollbart zu erkennen. Vollkommen perplex glotzte er den Mann an. »Markus … Scheiße … Du bist … tot!«
Dienstag, 19. Februar, 6 Uhr 15
Im Roseggletscher
Das Essen wurde dreimal täglich in einer Thermo-Box gebracht. Nicht ganz so schick, aber so praktikabel wie die Bento-Boxen der Sushi-Läden, dachte Sandra immer wieder, wenn eine der Plastikschachteln durch den Spalt auf der Seite ihrer Eishöhle geschoben wurde. Sie müssen das alles von langer Hand geplant haben, dachte sie . Aber daran gibt es ja keinen Zweifel. Sie haben einen See in die Luft gesprengt und uns mit dem Rettungshubschrauber entführt. In das Innere eines Gletschers. Wer so etwas bewerkstelligt, lässt seine Gefangenen nicht verhungern, verdursten oder erfrieren. Solche Leute denken an alles. Sie haben sich sicher was anderes für unseren Tod ausgedacht. Verhungern oder verdursten ist denen zu einfach. Und erfrieren ist zu schön. Man sagt ja, das sei einer der gnadenvollsten Tode. Erst schläft man ein, und dann ist es auch schon vorbei.
Sandras Gedanken wurden regelmäßig schwarz und schwärzer, wenn sie ihre Situation betrachtete. Dann, kaum ein Minute später, hellten sie sich wieder auf. Doch dazu ist die Ausstattung hier einfach zu gut. Die Felle, die Bekleidung. Und richtig kalt ist es hier drinnen ja auch nicht. Null Grad vielleicht. So können wir hier ewig durchhalten. Zumindest bis zum Frühjahr. Es gibt schlimmere Schicksale. Sie werden uns irgendwann austauschen. Rauslassen. Sie wollen irgendwas. Die Regierung wird verhandeln. Oder vielleicht die Regierungen, Mehrzahl. Sie haben Russen, Iraner, Araber, vielleicht auch Amerikaner. Israelis? Sicher alles Regierungen, die verhandeln. Und die nichts unversucht lassen, ihre Leute freizubekommen. Und schon tauchten Sandras Gedanken wieder ein in die Schwärze. Auch ja, Deutsche haben sie auch. Zumindest eine. Mich. Wenn ich hier als Deutsche geführt werde. Ich bin gespannt, für wen sie mich halten. Mit wem sie mich verwechseln. Und ob sie irgendwann merken, dass ich nicht die bin, für die sie mich halten. Und was sie dann machen.
Sie werden mich in einer Gletscherspalte verschwinden lassen. Sauber entsorgt. Ich werde in ein paar hundert Jahren wiederauftauchen, wenn dieser Gletscher endgültig abgeschmolzen ist. An einem Augusttag des Jahres 2213 wird ein Bergwanderer im spärlichen Rest des jahrtausendealten Eises einen Fetzen meiner Kleidung entdecken. Und dann mit den Spazierstöcken zu kratzen anfangen und mich ausgraben. Kleine archäologische Sensation. Oder auch nicht. Zu dieser Zeit werden sehr viele Gletscherleichen freigegeben werden. Alle, die in der Zeit seit Erfindung des Alpinismus in einer Spalte verschwunden sind. Das werden gar nicht so wenige sein. Wer weiß, vielleicht entwickelt sich sogar eine Art Hobby daraus. »Kinder, gehen wir Gletscherleichen suchen?« Ich bin dann wahrscheinlich noch ziemlich intakt. Sie werden lustige Fotos von meinem Körper machen. Wer weiß, wie seltsam die Leute in hundert, zweihundert Jahren sind. Sie werden mich vielleicht ausziehen, Nacktfotos von der frischen Gletscherfrau in Facebook hochladen oder wie das dann heißen wird. Und es wird sich gar keiner mehr darüber
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