Bluteis: Thriller (German Edition)
Kinder übernommen würden.
Auch Markus hatte sich diese Gelegenheit nicht entgehen lassen. Er hatte offenbar keine Mühe gehabt, innerhalb nur eines Jahres in die Special Forces der CIA aufgenommen zu werden, die den gesamten Alpenraum überwachten. Seinen Wohnsitz hatte er zwar »auf einer Insel« genommen (Thien vermutete, dass es Hawaii war, denn Markus war früher, wann immer es ging, als Ausgleich zu seinem kalten Job als Heeresbergführer zum Wellenreiten gefahren), doch seine Einsätze führten ihn immer wieder in seine Heimat zurück.
Markus sah fit und gesund aus, es schien ihm sehr gutzugehen. Die beiden Männer, die so nahe zusammen aufgewachsen waren und die erst vor einem Jahr in den größten Terroranschlag verwickelt worden waren, der je auf deutschem Boden verübt worden war, hätten eigentlich Anlass gehabt, sich wie alte Freunde in die Arme zu fallen. Nur gab es da die eine Sache zwischen dem kernigen Mittenwalder und dem vietnamesischen Partenkirchner: Sandra.
Markus war der Verlobte von Sandra gewesen, die zuvor und jetzt wieder mit Thien zusammen war. Thien hatte gestern verschwiegen, dass Sandra ein Kind von ihm erwartete – wobei er davon ausgehen musste, dass Markus Denninger dies von Beat Steiner erfahren hatte. Doch als auch Markus das Thema »Sandra Thaler« weiträumig umfuhr und sich auf eine kurze Schilderung seines Verbleibs während des vergangenen Jahres und ausführlicher auf die aktuelle Situation in der Schweiz konzentrierte, ging Thien davon aus, dass Markus mit der Sache abgeschlossen hatte.
»Ich habe mir von Steiner gewünscht, dass wir beide zusammen diese Schweine finden«, sagte Markus. »Denn du hattest auf und in der Zugspitze Feindkontakt. Achtundvierzig Stunden bist du denen ausgeliefert gewesen. Du hast ein Gespür dafür entwickelt, wie die ticken. Du hast gelernt, wie die zu denken. Sonst hättest du den Mann auf der Insel auch nicht gefunden.« Damit meinte Markus Denninger nicht sich selbst, sondern den Anführer der Zugspitz-Terroristen, den Thien intuitiv auf der Blockhütte auf der Eibseeinsel vermutet und den er dort erledigt hatte.
»Allein wäre ich dennoch aufgeschmissen« sagte Thien Hung Baumgartner. »Ich brauche ein bisschen mehr Informationen. Und Satellitenbilder und was weiß ich.«
»Ja, das wäre schön. Aber wir werden nichts bekommen. Wir müssen sie ohne die Hilfe des großen Bruders finden. Du weißt, offiziell sind sie tot. Man will auf keinen Fall, dass irgendwo durchsickert, dass es da eine Entführung gegeben hat. Glaub mir, nicht einmal die Spitzen der Schweizer Behörden wissen das.«
»Das grenzt an einen Staatsstreich. Hat Steiner Geheimnisse vor seinen eigenen Chefs?«
»In diesem Land gehen die Uhren noch einmal ganz anders. Es gibt hier eine Geheimarmee und einen geheimen Geheimdienst. P-26, schon mal gehört?«
»Ich kenne nur die P2 in Rom.«
»Nein, das sind Freimaurer. Ganz etwas anderes. Wurden längst aufgelöst. Machen heute als P4 weiter.« Denninger grinste. »Italien eben. Nein, die schweizerische P-26 war eine Untergrundarmee, die gegründet wurde, um im Fall einer Okkupation der Schweiz durch die Russen Sabotage verüben zu können. Eine Idee des kalten Krieges. Unabhängige Zellen, die sich untereinander nicht kannten, mit Waffen-, Sprengstoff- und Goldverstecken. Überall im Land. Wurden allerdings auch aufgelöst in den achtziger Jahren. Aber in einem Punkt sind die Schweizer wie die Italiener: Sie lieben Geheimniskrämerei. Natürlich haben sich längst nicht alle Zellen aufgelöst, nur weil das die Regierung beschlossen hat. Dazu sind sie ja unabhängige Zellen, haben sich einige gedacht. Und ich vermute, unser Freund Steiner spielt da eine gewisse Rolle.«
Thien zog eine Schachtel Zigaretten aus der Jackentasche und bot Denninger eine davon an. »Los, nimm eine, damit wir ein Alibi haben, hier bei der Kälte rumzustehen.«
Die beiden eingefleischten Nichtraucher entzündeten die Glimmstengel, drehten sich um, um sich mit den Unterarmen an der Reling abzustützen, und pafften in die Winterluft. Rechts und links an den Ufern des Zürichsees reihten sich die Lichter der Ortschaften und Straßen.
»Wunderschön, diese Schweiz«, sagte Thien.
»War sie bis vorgestern. Jetzt ist alles anders.«
»Wir müssen sie finden.« Thien meinte vor allem Sandra.
»Das müssen wir. Ich habe eine Liste mitgebracht. Alles Kunden der Bank. Alle verschwunden.« Denninger langte in die Innentasche der Jacke.
Thien nahm
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