Bluteis: Thriller (German Edition)
das Blatt Papier an sich und las. »Die Namen sagen mir alle nichts.«
»Darum sollst du dich auch mit diesem Bankchef treffen. Er hat Steiner nur die oberste Schicht seiner Daten gegeben. Steiner ist sicher, dass es darunter noch mehr gibt.«
»Und wieso sollte er sie mir geben?«
»Du bist nicht der Schweizer Geheimdienst.«
»Aber ich arbeite für den. Das muss ich diesem Sonntobler doch sagen, sonst redet der gar nicht mit mir.«
»Sonndobler mit d. Natürlich musst du das. Er wird dir trotzdem mehr sagen als seinem Geheimdienst. Weil er bei dir sicher ist, dass du nicht auch für seine Konkurrenz arbeitest.«
»So weit ist es schon mit diesen Banken?«
Markus Denninger warf die Kippe in den See und spuckte hinterher, um den schlechten Geschmack loszuwerden, den der Nikotinrauch auf seiner Zunge hinterlassen hatte. »Und mit den Geheimdiensten.«
Dienstag, 19. Februar, 23 Uhr 25
Bern, Bundeshauptstadt der Schweiz, Eidgenössisches Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport
Bundesrat Jakob Maler sah halb tot aus. Konnte es sein, dass er sich an diesem Morgen nicht rasiert hatte? Ein Schweizer Bundesrat? Oder war er nur schon so lange auf den Beinen? Seit Montagabend rauchte er wieder. Fünfzehn Jahre lang hatte er sein Lieblingslaster in Schach gehalten. Jetzt zündete er eine Kent nach der anderen an. Dichter Qualm füllte das nicht gerade enge Bundesratsbüro. Von den matten Augen des Vierundsechzigjährigen konnte man die Fragen, die ihn seit zwei Tagen unablässig beschäftigten, ablesen. Was ist passiert? Wie hatte das passieren können? Warum haben wir nichts gemerkt? Wer war das? Wo sind sie? Sind wir verraten worden? Von wem? Warum passiert das ausgerechnet mir?
Maler schaute seinen Geheimdienstchef Stefan Habersack gar nicht an, als der nach einem kurzen Pochen an der Tür in sein Büro trat, ohne auf ein Herein gewartet zu haben. »Haben Sie die YouTube-Leute mit dem Video?«, fragte er nur.
»Das Video wurde von einem Rechner in Zypern hochgeladen vor einem knappen halben Jahr«, wusste Habersack zu berichten.
»Zypern.« Maler blies den Rauch seiner Zigarette zur Zimmerdecke. »Auch das noch.« Jakob Maler wusste, wie schwierig sich die Nachforschungen darstellen würden. Auf der Insel gab es dreimal so viele Briefkastenfirmen wie Einwohner. Große Teile des Sozialprodukts stammten aus dem Finanzwesen. Hunderte von Mini-Banken machten Geschäfte mit russischem Kapital. Der Staat schützte diese Infrastruktur. Die Firewalls des zyprischen Telekommunikationsnetzes gehörten zu den sichersten der Welt. Kurzum: Zypern verkörperte das, was Freunde schwarzer Kassen als »die gute alte Schweiz« bezeichnet hätten. »Können denn die Briten da nichts in Erfahrung bringen?«
»Die haben wir schon angesetzt. Auf deren beiden Militärbasen ist der MI6 stark vertreten. Doch bislang haben wir noch nichts gehört.«
»Bleiben Sie dran, Habersack«, sagte Maler. »Wen haben Sie denn da mitgebracht? Und wollen Sie sich nicht endlich setzen? Es ist doch auch auf Ihrer Uhr halb zwölf Uhr nachts.«
»Danke, nein, wir müssen gleich weiter«, lehnte Habersack das Angebot ab. Er hasste Zigarettenrauch und wollte so schnell wie möglich aus diesem Büro.
Wie ein Schatten löste sich Beat Steiner von der Seite seines Chefs und stellte sich selbst vor. »Gestatten, Oberst Beat Steiner, NDB.«
»Was haben Sie für mich, Oberst Steiner?«
»Eine Entführung, Herr Bundesrat.«
Maler presste sich die Handballen gegen die Augen, als wolle er durch die schwarzen Tunnel voll psychedelischer Muster, die auf diese Weise entstanden, in eine andere Welt übertreten. »Wann, wo, wer?«, murmelte er, als er die Hände wieder nach unten nahm und in das Neonlicht seiner Bürobeleuchtung blinzelte.
»Am Sonntag. In St. Moritz. Aus dem VIP-Zelt der CS. Mit einer Doublette eines Helis der Bergrettung. Es handelt sich um diese sechs Leute.« Steiner legte dem Bundesrat eine Liste auf einem Klemmbrett auf den Tisch.
»Ich verstehe das nicht. Heute ist Dienstag. Warum kommen Sie erst heute?«
»Wir haben erst heute davon Kenntnis erhalten.«
»Sie haben sich gemeldet? Die Entführer?«
»Nein. Sie sind verschwunden. Mitsamt diesen Leuten.«
»Was macht Sie dann so sicher?«
»Wir haben eine der Personen auf dieser Liste gefunden.«
Jakob Steiner blinzelte erneut, weil ihm beim Anzünden der nächsten Zigarette Rauch ins Auge geriet. »Können Sie bitte Klartext reden?«
»Und weil eine weitere
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