Blutengel: Thriller
der Lehrer, das ist zweifellos …«
»Ich weiß«, sagte Hensen.
28.
Marc Weitz bückte sich hinter einen Rhododendronstrauch. Er hoffte inständig, dass nicht zufällig ein Polizeiwagen vorbeikam und ihm diese Observation kaputtmachte.
Das hier war sein Auftritt. Sein Riecher, seine Festnahme, seine Polizeiarbeit. Und es war das Pfund, das er der Internen Ermittlung auf den Schreibtisch knallen konnte.
Im Vorbeigehen las er das Hinweisschild »Zum Grab von Hans Albers«. Ein Schwarm Spatzen stob auseinander, dann folgte das laute Gezeter einer Amsel.
Weitz blieb stehen, doch Binkel vor ihm machte weiterhin keine Anstalten, sich umzusehen. War er derart in seinem Wahn gefangen?
Eine ältere Frau mit einer grünen Gießkanne beäugte ihn skeptisch. Weitz drückte sein Jackett an den Körper. Wenn die seine Waffe sah, würde sie den ganzen Friedhof zusammenschreien.
Weitz ließ Binkel 20 Meter Vorsprung und folgte ihm zu einem alten Gräberfeld. Hier zeigten die Grabsteine die Zeichen der Christlichen Seefahrt: Steuerräder, Albatrosse, Schiffsdarstellungen und Kompasskreuze.
Weitz schlenderte einen Trampelpfad entlang und huschte dann hinter einen Geräteschuppen. Eigentlich musste Binkel jeden Augenblick vorbeikommen. Weitz wartete, sah vorsichtig an der Ecke des Schuppens vorbei. Weit und breit keine Spur mehr von Binkel.
Es half nichts, er musste den Weg wieder zurückgehen. Vielleicht hätte er ihn gleich festnehmen sollen, aber er wollte unbedingt wissen, wo sich der Mann versteckte. Gut möglich, dass dort weiteres Beweismaterial zu finden war.
Etwas abseits vom Weg stand ein riesiges, aus Natursteinen aufgeschichtetes Grabmal. Die Inschrift der marmornen Platte an der Frontseite war nach all den Jahren noch gut zu lesen. Hier betrachteten sich drei Generationen einer Reederfamilie das Gras von unten. An der Seite des Grabmals war das Gebüsch heruntergedrückt. Weitz legte den Kopf an den Stein – und tatsächlich, aus dem Inneren drangen schabende Geräusche an sein Ohr. Weitz tastete die Steinfugen ab und fand eine Auslassung. Vorsichtig zog er die von außen kaum zu erkennende Tür zur Gruft auf. Seine Augen brauchten ein paar Sekunden, bis sie sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten.
Unwillkürlich hob er den Arm schützend vors Gesicht.
»Mein Gott!«, sagte Weitz. »Du Sau!«
29.
Peter Sienhaupt saß hinter seinen Monitoren, blinkenden Geräten und Tastaturen. Vom Schreibtisch fielen zahllose Kabel auf den Boden, wo sie ein unübersehbares Gewirr bildeten, von dem sich einige Stränge lösten, um in anderen Geräten zu verschwinden.
Mussten sie im Notfall den Stecker ziehen, dachte Mangold, dann drehte er am besten gleich die Hauptsicherung des Präsidiums heraus. Wenn das überhaupt etwas half. Schließlich hatte Sienhaupt neben seinem Knautschsessel einen würfelförmigen Akku von der Größe eines Rollschranks aufgebaut.
Nur der Sitz dieses Raumschiff-Commanders, sein quietschroter Knautschsessel, passte nicht so recht in das Set eines Science-Fiction-Films.
Peter Sienhaupts Blick wanderte von einem Monitor zum anderen. Beide zeigten ablaufende Zahlenfolgen, die selbst dieser Savant unmöglich lesen konnte. Oder doch?
Aus den Augenwinkeln sah Mangold, dass der Savant mit ausdruckslosem Gesicht zwischen zwei Monitoren hindurch zu ihnen herübersah.
»Wie lange dauert das?«, sagte Mangold und starrte auf das Faxgerät.
Hensen hatte ihm gerade mitgeteilt, dass Carolus Jens Binkel und Carl Nicolai nicht nur flüchtig kannte. Er war einer der Lehrer, die in Verdacht standen, über Jahrzehnte Kinder und Jugendliche missbraucht zu haben. Als Beweis wollte er den Bericht gleich herüberfaxen. Mangold stand nachdenklich vor dem Gerät und überlegte, ob er Carolus befragen sollte.
Was würde Wirch dazu sagen? Und wie weit reichte der Einfluss von Carolus auf die übrige Polizeiführung?
Das Gerät ratterte, und Mangold zog eilig den Ausdruck aus dem Schacht.
»Und dem muss ich Personenschutz anbieten«, sagte Mangold. »Kaja, hören Sie sich das an!«
»Vergewaltigung?«, fragte sie.
»Seine Spezialität war: Bei schlechten Leistungen mussten die Kinder vor versammelter Klasse ihre Hosen runterlassen, und dann hat er ihnen mit einem Stift Schimpfworte auf den Hintern geschrieben. Anschließend …«
Mangold machte eine Pause und las dann weiter. »Anschließend wurde ihnen der Kugelschreiber in den After geschoben, und sie wurden aufgefordert, ihn wieder herauszuziehen und auf dem
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