Blutengel: Thriller
Weitz nur noch schlimmer. Ich bitte Sie: Hören Sie auf damit, wir kommen in Teufels Küche.«
Sienhaupt streckte fast in Zeitlupe die Hand nach vorn und chippte dann auf eine einzelne Taste.
Mangold ging zurück zu seinem Schreibtisch und hob den Hörer.
»Nein«, sagte er. »Unsere Systeme laufen.«
»Ist Weitz in der Nähe?«, fragte Jens Schiermacher.
»Ist gerade im Einsatz. Soll ich ihm etwas ausrichten?«
»Er soll sich umgehend melden, wenn er wieder im Haus ist. Und wenn ich umgehend sage, dann meine ich auch umgehend.«
Mangold versprach, Weitz notfalls persönlich dort abzuliefern.
»Er hält eben zu seinem Partner«, sagte Kaja, nachdem Mangold das Gespräch beendet hatte. »Ich weiß ja nicht, wie es sonst hier zugeht, aber Sienhaupt bringt Leben in die Bude.«
»Darauf kann ich gut verzichten«, sagte Mangold. »Wir müssen Carolus finden. Bevor etwas passiert. Oder besser noch den Täter. Was ist mit dieser Kreuzspinne?«
»Keine Ahnung«, sagte Kaja Winterstein. »In einem Netz verfangen sich …«
»… die Opfer?«
»Möglich«, sagte die Psychologin. »Spinnennetze spielen als Symbole auch in der Traumdeutung eine große Rolle, da …«
»Traumdeutung, das würde zu Travenhorst passen.«
»Netze in Träumen weisen darauf hin, dass sich der Träumende in einem Schema oder einer Situation eingesperrt und gefangen fühlt.«
»Gefangen sind wir doch alle«, erwiderte Mangold.
Grinsend trottete Peter Sienhaupt an ihnen vorbei in Richtung der Toiletten.
»Stimmt schon, das ist alles ziemlich vage, wie die gesamte Traumdeutung. Mit Wissenschaft hat das wenig zu tun. Netz kann auch bedeuten, dass man eine Gefühlsbindung sucht, in der auch sexuelle Wünsche erfüllt werden. Andererseits kann es auch um sexuelles Fehlverhalten gehen.«
»Und was ist, wenn derjenige, der uns diese Nachricht geschickt hat, auf etwas ganz anderes aus ist?«
»Wäre es nur eine Sache, dann hätte derjenige sich klar ausgedrückt. Ein Netz ist ein Symbol, gut möglich, dass darin verschiedene Hinweise gebündelt sind. Das zumindest deutet auf Travenhorst.«
»Spinne und Netz als Metaphern für mehrere Deutungen«, sagte Mangold.
»Unser Täter hängt zweifellos auch in einem religiösen Wahn. Warum sonst diese Farbenauswahl, die auf Mariendarstellungen hinweisen?«
»Es gibt also auch eine religiöse oder spirituelle Bedeutung von Netzen?«, fragte Mangold.
»Es ist sogar ein elementares spirituelles Symbol«, erwiderte Kaja. »Das Netz des Lebens. Gesponnen von den göttlichen Mächten, in dem Schicksal und Zeit verwoben werden und womit die Realität für jeden Einzelnen geschaffen wird.«
Mangold kritzelte ein Spinnennetz auf einen Notizblock und sagte: »Gemeint kann aber andererseits eine irgendwie verfahrene Situation sein, in der sich jemand verfangen hat.«
»Das ist alles sehr schwammig. Ich kann nur sagen, in der Literatur, die wiederum von der Schulpsychologie nur sehr eingeschränkt anerkannt wird, ist das Netz ein Symbol für Sexualität, die als verführerisch, aber gleichzeitig auch als bedrohlich empfunden wird.«
»Und die Spinne?«, fragte Mangold.
»Sie steht für das Verschlagene und das Künstlerische beim Träumenden. Und sie ist ein Symbol für die dunkle weibliche Kraft. Angst vor Verführung, Angst davor, aufgesogen zu werden.«
Mangold trat zum Flipchart, nahm einen Filzstift und malte ein Spinnennetz. Mitten hinein eine Spinne mit einem Kreuz auf dem Rücken. Er tippte mit dem Edding auf das Kreuz und sagte: »Eine Kreuzspinne deutet natürlich auf die Kirche hin und das Netz, das sie spinnt …«
In diesem Augenblick schob Weitz den blutenden und völlig verschmutzten Jens Binkel in den Konferenzraum.
»Hab’ ihn«, sagte Weitz triumphierend.
»Um Gottes willen, was ist mit dem Mann passiert?«, fragte Mangold.
»Ich hab’ den Vogel ausgegraben«, sagte Weitz.
Binkels Gesicht wies Schürfwunden auf, und seine Handgelenke waren mit blutigen Lappen umwickelt.
Mangold bat telefonisch zwei Uniformierte, Binkel zum Sanitätsdienst und danach in den Verhörraum zu bringen. Zwei Minuten später holten die Polizisten Binkel ab. Der sah sich immer noch so um, als versuchte er zu begreifen, in welchem Traum er gelandet war. Bis jetzt hatte er kein Wort gesagt.
»Sie können sich sicher selbst waschen«, sagte Mangold zu Weitz.
»Klar, Chef.«
»Was heißt ausgegraben?«
»Er war auf dem Ohlsdorfer Friedhof, hat sich in einer Gruft versteckt und da seine perversen Dinge
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