Blutengel: Thriller
Decke gehängt. Was hat sie zu dir gesagt?«
Binkel zog die Hände vom Tisch und verschränkte die Arme vor der Brust.
»Sie kam aus dem Tunnel, und sie hat auf den Boden gesehen.«
»Welcher Tunnel?«, fragte Weitz.
»Sie hat mich nicht angesehen und …«
»Deine Schwester?«
»Sie hat mich nicht angesehen, und ich kann es nicht leiden …«
»Nein, du kannst deine Schwester nicht leiden, nach dem, was sie dir angetan hat. Du musstest ins Kinderheim, nicht? Und die Schuld hatte nur deine Schwester, ist doch so. Die Schlampe war schuld.«
»Ich war zufällig an dem Tunnel …«
»Wir reden jetzt nicht über die Vergewaltigung, es geht um deine Schwester …«
»Sie ging schneller … fing an zu laufen.«
»Hör auf«, brüllte Weitz. »Hast du deine Schwester getötet?«
Marc Weitz schob seinen Kopf über den Tisch.
»Ich weiß doch, wie das ist, mit älteren Schwestern. Sie nerven. Sie nerven furchtbar. Und deine Schwester ist die furchtbarste von allen Schwestern, die man haben kann. Als du noch ein Kind warst, hat sie versucht, dich in der Badewanne zu ertränken, nicht?«
»Das Wasser … es ist grün«, sagte Binkel.
»Da musstest du dich endlich mal wehren, nicht? Das geht ja auch nicht, dass die eigene Schwester …«
Jens Binkel nickte heftig mit dem Kopf und stierte auf den Schreibtisch.
»Und da hast du sie umgebracht, nicht? Hast all diese kranken Dinge mit ihr angestellt.«
Binkels Nicken verstärkte sich, und der Oberkörper wippte hin und her.
»Hast du deine Schwester getötet?«
»Ja«, sagte Binkel. »Ja, ja, immer wieder. Ich habe sie immer wieder getötet.«
Marc Weitz atmete aus.
»Und dann dieser alte Mann in Niendorf? Hast du den auch getötet?«
Binkel nickte und starrte auf die gegenüberliegende Wand.
»Töten, töten, töten«, sagte er.
»Was ist mit Peter Sienhaupt? Hast du den auch … nein, das geht ja gar nicht. Also, wer hilft dir? Wer hat Sienhaupt …?«
Als Binkel in die Höhe sprang, stürzte der Stuhl um.
»Ja, ja, ja. Ich habe … habe sie alle getötet … alle, hören Sie. Alle, alle, alle.«
*
»Lass schön die Rollläden oben«, sagte Hensen.
Mangold nickte.
»Das ist für ihn unwiderstehlich.«
Er verließ mit Tannen den Tatort und mischte sich unter die Passanten, die vor dem Absperrband standen. Gemeinsam versuchten sie, jemanden zu entdecken, der verdächtig aussah.
»Sehen Sie mal unauffällig zu dem Gebäude direkt gegenüber«, sagte Hensen.
»Die Versicherung?«
»Das schmale Fenster im vierten Stock. Sehen Sie den Mann mit der Kamera?«
»Müsste der Treppenaufgang sein. Erkennen kann ich ihn nicht«, sagte Tannen.
Beiläufig und ohne Eile näherten sie sich dem Eingang zum Bürogebäude. Tannen schob dem Pförtner seinen Ausweis über den Tisch und fragte nach dem Treppenhaus.
Der Pförtner schien nicht zu verstehen und griff zum Telefonhörer. Tannen drückte seine Hand herunter und sagte: »Jetzt kein Aufsehen. Wo ist das Treppenhaus?«
Der Pförtner erhob sich etwas aus dem Sessel.
»Da, hinter den Fahrstühlen.«
Tannen und Hensen liefen zu der Chromtür und stürmten die Treppen hinauf. Abrupt blieb Hensen stehen und horchte. Er gab Tannen ein Zeichen. Tatsächlich, da stieg jemand die Treppe herunter. Plötzlich hörten sie über sich eine Tür zuklappen. Beide sprangen die Treppe zum zweiten Stock hinauf und rissen die Tür auf.
Sie standen in einem leer geräumten Büroraum. Es roch nach Farbe, an der Stirnseite standen Farbeimer, Papierrollen, auf einer Plastikfolie Eckpinsel und Rollen.
Tannen deutete auf eine Tür. Dann zog er seine Waffe heraus und bedeutete Hensen, zur Seite zu treten.
Er stellte sich neben die Tür, drückte die Klinke und riss dann die Tür auf. Vor ihnen lag ein kleiner Flur, der zu einem geöffneten Fenster führte.
»Ein Baugerüst«, sagte Hensen. Tannen beugte sich über die Brüstung.
»Keine Chance, der Typ muss über einen hervorragenden Instinkt verfügen.«
»Oder über Glück«, ergänzte Hensen.
Tannen wählte auf seinem Handy eine Nummer und bat die Spurensicherung, sich die Büroetage anzusehen.
Hensen war skeptisch. »Einen Versuch ist es wert. Möglich, dass er in der Eile Fingerabdrücke hinterlassen hat.«
*
»Schauen Sie sich den doch an«, sagte Kaja und sah durch die Scheibe in das Innere des Verhörraums. Binkel kauerte auf seinem Stuhl und schien zu frieren.
»Der Mann ist psychotisch, der gesteht alles. Fragen Sie ihn doch mal, ob er Kennedy umgebracht
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