Blutengel: Thriller
hat.«
Weitz sah sie an.
»Psychologengequatsche. Der ist reif. Wenn ich ihn mir noch mal vornehme …«
»Ohne einen Arzt läuft hier gar nichts mehr«, sagte Mangold.
»Aber …«
»Sie werden den Mann nicht mehr verhören, haben Sie das verstanden?«
»Was ist mit Sienhaupt?«, protestierte Weitz. »Wenn der da den Auftrag gegeben hat, ihn zu …«
»Der versteckt sich in einer Friedhofsgruft und verteilt Killer-Aufträge? Weitz, machen Sie sich nicht lächerlich!«
Mangold wies den Beamten vor der Tür an, Binkel ins Untersuchungsgefängnis am Holstenglacis zu bringen.
Als sie zurück im Konferenzraum waren, gab er die telefonische Anweisung, Binkel amtsärztlich untersuchen zu lassen, und hob die besondere Suizidgefährdung hervor.
»Hat die Spurensicherung etwas für uns?«, fragte er Tannen, der, ohne von seinem Schirm hochzusehen, sagte: »Kann schon sein. Fingerabdrücke. Aber die können auch von einem Bauarbeiter oder Maler stammen. Sind nicht in unserem System.«
Eine Viertelstunde später stand Sienhaupts Schwester im Raum.
»Was heißt das, verschwunden?«, fragte sie, nachdem Mangold ihr erklärt hatte, dass ihr Bruder nicht aufzufinden sei.
»Er hat sein Handy geschnappt und ist hier rausmarschiert.«
»So, so, auf Entdeckungstour«, sagte Ellen Sienhaupt.
»Wo könnte er sein, haben Sie eine Idee?«
»Na, er ist ja nicht hilflos, und er macht immer wieder mal so seine Ausflüge.«
»Wohin denn?«, fragte Mangold.
»Einmal wurde ich aus einem Automaten-Casino angerufen. Ich bin da hin, und Peter steht da und hat einen von diesen einarmigen Banditen geknackt. 8000 Euro, stellen Sie sich das mal vor.«
»Dann haben Sie ja finanziell ausgesorgt.«
»Schön wär’s«, sagte Ellen Sienhaupt. »Er hat Hausverbot in allen Spielbanken, angeblich benutzt er einen verbotenen Trick.«
Sie näherte sich Mangolds Ohr und sagte mit Verschwörerinnenstimme: »Ich glaube, er kann die rotierenden Zahlen in seinem Gehirn auf Zeitlupe stellen, merkt sie sich, und dann im richtigen Moment drückt er die Stopptaste. So hat er es mir jedenfalls erklärt. Sagen Sie mal ehrlich, ist das etwa ein Trick?«
»Waren Sie mit ihm an einem besonderen Ort, irgendetwas, wofür er sich begeistert hat?«
»Hagenbeck«, sagte Ellen Sienhaupt. »Auf jeden Fall hat er einen besonderen Grund, wenn er sich auf den Weg macht.«
»Wie kommen Sie darauf?«, fragte er.
»Weil er seine Arbeit hier sehr, sehr ernst nimmt. Sein Ausflug muss damit zusammenhängen. Auf seine Art ist er absolut zuverlässig.«
Hensen sah besorgt zu ihnen herüber. Ellen Sienhaupt versprach, sich auf die Suche zu machen.
Sie war schon an der Tür, als Mangold ihr nachrief: »Und bitte, melden Sie sich gleich, wenn er auftaucht. Sagen Sie ihm, dass wir ihn hier brauchen. Dringend.«
»Gefällt mir nicht«, murmelte Weitz, und Hensen pflichtete ihm bei.
»Du meinst wegen des Spinnennetzes, in dem er deiner Meinung nach zappeln könnte?«, fragte Mangold Hensen. Der zögerte einen Augenblick, bis er antwortete.
»Lassen wir mal völlig dahingestellt sein, von wem diese Nachricht kommt, Tatsache ist doch: Wir haben eine Reihe von Opfern, die mit Heimen zu tun hatten. Allerdings in unterschiedlichen Institutionen und über das ganze Bundesgebiet verstreut.«
»Vielleicht gibt es eine zentrale Erfassung solcher Fälle, die mit Kindesmissbrauch, Prügeleien und so weiter zu tun haben?«
»Die gibt es«, sagte Hensen.
»Du meinst die Kirchen? Die Vertrauensbeauftragten?«
»Nein«, sagte Hensen. »Wir haben mit der Köchin, die Lebensmittel gestohlen hat, auch jemanden aus einer staatlichen Institution. Dafür sind die nicht zuständig.«
Kaja stand neben Mangolds Schreibtisch und nickte Hensen zu.
»Klar«, sagte sie. »Es gibt ein Spinnennetz, in dem der Täter gefischt haben muss. Das ist klar, und so gesehen ist es sogar das Bindeglied all unserer Fälle.«
»Und wieso sind wir nicht darauf gekommen?«, fragte Mangold.
»Weil wir mittendrin sitzen«, sagte Hensen.
31.
Er sah ihn schon von Weitem.
So also siehst du aus, dachte er und schritt auf ihn zu. Dieser Sienhaupt hob das Handy vor seine Goldrandbrille und fotografierte ihn.
»Sie wollen meine biometrischen Daten abgleichen, stimmt’s?«
Mit einer raschen Bewegung nahm er dem Autisten das Handy aus der Hand.
»Ich weiß nicht, wie man unter Hunderttausenden von Leuten einen Menschen findet, aber glauben Sie mir, ich hätte mich unsichtbar machen können. Sie brauchen das
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