Blutengel: Thriller
mit einem dicken Kopf in einem Schlafzimmer erwacht war, in das er nie wieder hatte gehen wollen. Begann alles von vorn?
»Warum denn nicht?«, hatte Vera gesagt, und in ihm war ein Triumphgefühl aufgestiegen. Triumphgefühl! Hatte er es nötig, sich etwas zu beweisen? Oder Vera? Sie hatte ihn damals rausgeworfen.
»Na warte, Lena«, sagte er laut. »Du und deine Scheiß-Ratschläge.«
Seine Nachbarin hatte ihm zu diesem Besuch geraten. »Dinge klären ist immer gut«, hatte sie mit ihren 18 Jahren gesagt. Dinge klären!
Sein Handy klingelte. Er sah auf das Display. Vera!
Auf keinen Fall! Er drückte den Anruf weg und drehte das Radio lauter. »Born in the USA.«
Er musste es Hensen beichten. Bevor Vera den Journalisten anrief. Und sie würde ihn anrufen, schließlich waren die beiden befreundet gewesen, denn sie war es, die ihn nach allen Regeln der weiblichen Kunst ins Schlafzimmer geschleppt hatte. Nein, das würde sie nicht auslassen. Sie würde Hensen anrufen.
Wie konnte er sich nur so hinreißen lassen? Und das zu diesem Zeitpunkt.
Sein Vorgesetzter Wirch setzte volles Vertrauen in seine Arbeit, baute darauf, dass er mit seinem Team präzise und schnell arbeitete, weitere Morde verhinderte.
Der öffentliche Druck hatte sich in den letzten Tagen stündlich verstärkt. Wegen der auseinanderliegenden Tatorte hatte auch die überregionale Presse den Fall aufgegriffen. Vier Anrufe von Presseagenturen hatte er bereits abgewimmelt. Wirch wurde zusehends nervös.
Der hatte seine berufliche Laufbahn an den Erfolg seiner Truppe gekoppelt. Aber warum?
Was auch immer dahintersteckte, Ratlosigkeit oder kalkulierter »Feldversuch« – er hatte seine Arbeit zu machen. Und seine Leute genau da zu packen, wo sie am empfindlichsten waren. Bei ihrer Faulheit und ihrem Ehrgeiz.
Ein Serienmörder lief durch die Straßen, ritzte seinen Opfern Sprüche in die Beine und brachte sie auf brutalste Weise um. Der ganze Tathergang machte deutlich, dass der Mann sich mehr als sicher war, nicht gestört zu werden. Spähte er seine Opfer aus? Studierte er ihre Gewohnheiten, ihre Tagesabläufe? Nach welchen Kriterien wählte er sie aus? Bisher sprach alles gegen Spontanhandlungen.
Einige Minuten später passierte er die Schranke zum Präsidiumsparkplatz. Der Beamte in der Pförtnerloge nickte und wandte sich wieder einem Bildschirm zu, der Kamerabilder vom Gelände rund um das Präsidium zeigte.
Im Fahrstuhl richtete Mangold sein Hemd, zog die Krawatte fest und klopfte sich Fusseln vom Jackett.
Als er den Konferenzraum betrat, grinste Hensen ihn schief an und meinte: »Na, hat die kleine Lena dich in der Mangel gehabt?«
»Unsinn«, sagte Mangold und nickte Kaja grüßend zu. Auch die sah ihn verwundert an.
»Oha«, sagte Weitz und duckte sich dann sofort über seine Papiere. Selbst Sienhaupt in seinem roten Knautschsessel schien belustigt zu sein. Er winkte ihm zu und, ja, wann grinste der Mann eigentlich nicht?
Mangold nahm den vorbereiteten Aktenordner von seinem Schreibtisch und warf ihn auf einen der zusammengerückten Konferenztische.
»Was ist?«, sagte er. »Braucht ihr eine Extraeinladung?«
Sienhaupt richtete sich wie ein aufmerksamer Schüler auf und verschränkte die Arme vor der Brust. Angestrengt fixierte er die Thermoskanne, die in der Mitte des Tisches stand.
Während er darauf wartete, dass auch die anderen sich an den Konferenztisch setzten, blätterte Mangold noch einmal die Papiere durch.
Aus den Augenwinkeln warf er einen Blick auf Kaja. Ja, er war wirklich froh, dass sie dabei war. Sie brachte einfach eine andere Stimmung ins Team. Nicht nur, weil sie eine Frau war oder die Fälle aus einer anderen Warte anging. Nein, sie setzte ihn unter Strom, ließ ihn vergessen, dass hier im Präsidium ein Haufen von Bürokraten und Idioten herumlief und das Sagen hatte.
Hensen begann sofort, das leere Blatt vor sich mit einer Skizze zu füllen. Soweit Mangold es beurteilen konnte, kopierte er die Phantomzeichnung ihres toten Berliner Zeugen.
In knappen Worten berichtete Tannen von ihrem Besuch in Billwerder und dem Gespräch mit dem ehemaligen Pfleger Claus Schurmann, der dort eine Haftstrafe wegen unterlassener Hilfeleistung absaß, weil er eine demente Patientin hatte verdursten lassen.
»Wir wollten uns erst mit Ihnen absprechen und haben ihn nicht auf den Besuch von Tanja Binkel angesprochen.«
»Sehr gut«, sagte Mangold. »Haben die Papiere aus der Wohnung etwas ergeben?«
»Bis jetzt keinerlei
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