Bluterde
zeigen wollen, aber Femi ließ ihm keine Wahl.
»Woher hast du das?«, fragte er tonlos.
»War in meinem Zimmer. An dem Abend, als sie es durchwühlt haben.«
»Sie sieht aus, als ob sie …«
»Ich weiß. Aber sie lebt«, unterbrach McAllister ihn.
»Wir haben bereits die Bestätigung der KSK-Aufklärer. Lea ist in Kigali.«
»Die werden sie da raushauen, oder?«
McAllisters Widerstand brach zusammen. Der Primatologe machte ihm das Leben zwar schwer, aber diesem Häuflein Elend konnte er nicht böse sein. Er konnte sich gut vorstellen, wie Femi zumute war. Ihm wurde selbst ganz elend, wenn er das Polaroid ansah. Omari war hinter seinen Chef getreten und hatte ebenfalls einen Blick auf das Foto geworfen. Er schlug die Hand vor den Mund, riss die Augen auf.
»Jesus!«
McAllister gab ihnen ein paar Minuten, dann zog er Femi die Klarsichthülle mit dem Bild aus den Fingern.
»Tut mir leid, das muss ich wieder mitnehmen. Beweismittel. Ich gehe jetzt ins Hotel. Wir sehen uns morgen.«
Lea musste sich beherrschen, um ihre Freude über Ados Anblick nicht zu sehr zu zeigen. Der Cowboy stieß sie in die Kammer und sie konnte nur mit Mühe verhindern, nicht über den Käfig zu stolpern. Die Tür fiel hinter ihr zu, der Schlüssel knirschte im Schloss. Die Endgültigkeit des Geräusches war wie Benzin auf dem Flämmchen ihrer Angst. Sofort wurde ihr Mund trocken, ein enges Gefühl in der Brust ließ sie kaum atmen. Lenk dich ab, tönte es in ihrem Kopf. Du überstehst das! Du wirst hier nicht sterben! Sie hielt die Augen geschlossen und atmete tief durch, so lange, bis sich ihr System wieder beruhigt hatte. Nach ein paar Minuten fühlte sie sich stabil genug und inspizierte den Raum. Gemessen an den anderen Gefängniszellen war das hier ein Fünf-Sterne-Palast. An der Wand des schmalen Zimmers stand ein altes Bett. Die Matratze hing durch wie der Rücken eines Dackels und die Decke, die darüber ausgebreitet lag, verbarg die Flecken auf dem Drillich nur notdürftig. Aber es war ein Bett. Und es gab fließend Wasser. An der Stirnwand tropfte es in stoischem Rhythmus in ein rostiges Metallwaschbecken. Ein winziges Fenster knapp unter der Decke. Zwar war es nicht groß genug, um sich durchzuzwängen, aber immerhin würde ihr das Licht das Zeitgefühl wieder zurückgeben. Sie zog einen Keks aus ihrer Hosentasche und kniete sich auf den Boden. Plätzchen standen nicht auf dem Speiseplan wilder Gorillas, aber für den Moment musste das reichen. Zur Beruhigung schob sie eine Hand durch die Gitterstäbe und zupfte an Ados Fell. Er rührte sich nicht. Sie stutzte. Warum reagierte das Tier nicht? Sie beugte sich etwas tiefer, um ihn besser sehen zu können. Sein Blick aus den trüben Augen ließ sie erschrecken. Erst jetzt fiel ihr auf, wie apathisch er auf seinen Jutesäcken saß.
»Hey, du wirst doch nicht krank werden?«
Sie setzte sich auf den Hosenboden, löste die Schnürsenkel ihres rechten Schuhs und schlüpfte heraus. Sie rümpfte kurz die Nase, dann schüttelte sie den Wanderstiefel kräftig. Ein leises Pling verriet ihr, dass der Draht auf den Boden gefallen war. Ihre Finger fanden ihn schneller als ihre Augen. Keine fünf Minuten später hatte sie die Käfigtür geöffnet und wartete darauf, dass Ado in ihren Schoß krabbeln würde. Aber er bewegte sich nicht.
»Na komm schon her, du kennst mich doch!«, versuchte sie, ihn leise zu locken. Aber Ado blieb lethargisch in seiner Ecke hocken. Lea blieb nichts anderes übrig, als in den Käfig zu greifen und ihn an seinen Ärmchen herauszuzerren. Er ließ sie gewähren.
»Was ist los mit dir?«
Sie hielt ihn ein paar Zentimeter von sich weg und musterte ihn. Der kleine Gorilla hatte jegliche Körperspannung verloren, seine dünnen Arme und Beine hingen wie Fremdkörper an ihm herab.
»Du gefällst mir gar nicht«, murmelte sie.
Sie platzierte Ado auf ihrer Hüfte und stemmte sich hoch. Für einen kurzen Moment überlegte sie, dann zog sie mit einem Ruck die Decke vom Bett. Der Gorilla hatte sie nötiger. Vorsichtig wickelte sie den kleinen Körper in den kratzigen Stoff und legte ihn auf die Matratze. Ado fiepte leise.
»Gefällt dir nicht? Tut mir leid, ich habe keine Ahnung von Kindern, schon gar nicht Gorilla-Kindern.«
Sie ging hinüber zu dem tropfenden Hahn, sammelte etwas Wasser in ihrer Hand und krümelte ein Stück Keks hinein.
Geduldig versuchte sie, Ado den Brei zu verfüttern, doch das meiste landete in seinem schwarzen Fell.
»Mach schon! Du
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