Bluterde
Hechts Männer setzten ihr Leben aufs Spiel und verständlicherweise wollte er als ihr Vorgesetzter so viel wie möglich über die Zusammenhänge in Erfahrung bringen.
»Bin nicht sicher, vermutlich meine Schuld. Möglicherweise hat sie meine Anwesenheit hier in Bukavu nervös gemacht. Scheint sich irgendwie herumgesprochen zu haben, dass ich in Sachen illegaler Coltan-Handel ermittle. Haben wohl kalte Füße bekommen und Dr. Winter schnell über die Grenze geschafft.«
Hecht war mit der mageren Erklärung alles andere als zufrieden, hakte aber nicht nach. Was der KSK-Mann nicht wissen konnte: McAllister war über diese unerwartete Wendung nicht unglücklich. Genau genommen war das eingetreten, worauf er insgeheim gehofft hatte – er hatte sie zu einer überstürzten Reaktion gezwungen. Denn nichts anderes war in seinen Augen Leas Transfer nach Ruanda. Zwar waren sie mit ihrer Befreiungsaktion im Dschungel gescheitert, aber sie hatten damit ordentlich Feuer auf dem Dach gelegt. Genau auf eine solche Gelegenheit hatte McAllister gewartet, sehr lange gewartet. Möglicherweise lieferte ihm Leas Entführung jetzt das fehlende Puzzlestück. Konnte er beweisen, dass die Intermet in Bukavu illegal Coltan nach Ruanda schmuggelte und an Avomex verkaufte oder sogar gegen Waffen tauschte, war sein Erfolg zum Greifen nahe. Das KSK würde ihm im wahrsten Sinne des Wortes die Türe öffnen. Irgendwo in diesem Lagerhaus in Ruanda war er, der Beweis, den er so dringend brauchte – einen Brief, ein Foto, eine Rechnung, eine Telefonnummer. Er würde ihn finden, und wenn er dafür jedes verdammte Dielenbrett umdrehen musste. Er wusste, dass es auch eine Verbindung zwischen Avomex und diesem Coltan-Aufbereiter in Deutschland geben musste. Er witterte es, so wie ein Wolf die Spur eines Kaninchens mit tödlicher Sicherheit aufnahm. Er würde sie aus ihrem Bau jagen und mit einem Nackenbiss zur Strecke bringen. Die Hintermänner der Organisation waren schlau. Bisher hatten sie keinen Fehler gemacht, der ihm eine Chance eröffnet hätte, sie hochgehen zu lassen. Bis Lea ins Spiel gekommen war.
»Sind wir hier für den Moment durch?«, fragte McAllister den Offizier. Hecht nickte.
»Wir werden Operation Digit aufsetzen und uns mit dem Auswärtigen Amt verständigen. Erste Lagebesprechung morgen um sieben-null-null.«
»Gut. Sie wissen, wo Sie mich erreichen?«
»Ich gehe nicht davon aus, dass wir Sie um Ihre Nachtruhe bringen müssen.«
Die beiden Männer gaben sich die Hand und McAllister verließ die Kommandozentrale. Er war zufrieden mit den Entwicklungen der letzten Stunden.
»Mir ist egal, was die sagen! Ich werde nicht hier sitzen und Däumchen drehen!«
Femi starrte McAllister zornig an.
»Diese Entscheidung liegt nicht in meiner Hand. Es handelt sich um den Einsatz einer deutschen Spezialeinheit und wir müssen uns unterordnen.«
Omari und Joseph grinsten sich an. Gespannt saßen sie auf ihren Bürostühlen und warteten ab, wie der Schlagabtausch der beiden »Silberrücken« ausgehen würde. McAllister schloss die Augen und massierte sich die Schläfen.
»Außerdem habe ich Brigadegeneral Kapur gesagt, du kommst morgen in den Stützpunkt und hast ein Auge auf Adolphe.«
»Willst du mich parken? Kannst du vergessen! Soll Omari gehen. Der kann mit dem Jungen sowieso besser.«
Die Stimmung im WPS-Büro war aufgeladen wie ein Hochleistungskondensator und es war nur eine Frage der Zeit, bis sich das Gewitter entladen würde. McAllister wollte nur noch schlafen, um seine Kopfschmerzen endlich loszuwerden. Stattdessen musste er sich hier mit einem sturköpfigen Primatologen herumschlagen, der sich hoffnungslos selbst überschätzte. Er stand auf und holte seine Ledertasche von Femis Schreibtisch.
»Es gibt nichts zu diskutieren, Femi. Willst du, dass Lea diese Geschichte heil übersteht?«
McAllister sah ihn ohne Freundlichkeit an, er hatte allmählich genug von seinen Eskapaden.
»Geht’s hier darum, wer am weitesten pinkeln kann, oder was?«
Ein höhnischer Zug umspielte Femis Lippen, als er McAllister die Worte vor die Füße spuckte. Ohne auf den Kommentar einzugehen, öffnete McAllister seine Tasche, zog das Polaroid von Lea aus der Klarsichthülle und warf es vor Femi auf den Tisch.
»Nein. Darum geht es.«
Femi nahm das Foto und führte es näher an sein Gesicht. Seine Hand zitterte. Ohne ein Wort sackte er auf den Stuhl, sein Adamsapfel hüpfte auf und ab. McAllister hatte ihm das Bild eigentlich nicht
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