Bluterde
auf und schoss nach vorne. Noch bevor sie das rettende Gebüsch erreichen konnte, hatte der Fahrer sein Zweirad zu Boden geworfen und sich auf sie gestürzt. Schwer lag er auf ihr, sein Keuchen nah an ihrem Ohr. Dann richtete er sich auf, lockerte den Griff und riss Lea herum. Ihre Blicke trafen sich. Lea fing an, hysterisch zu schreien.
»Lass mich in Ruhe, du Schwein!«
Die Lippen des jungen Mannes teilten sich zu einem Lächeln. Er beugte sich zu ihr hinunter und leckte ihr mit seiner breiten Zunge über das Gesicht. Angeekelt versuchte sie, sich wegzudrehen. Sofort schnellte seine Hand nach vorne und krallte sich um ihren Hals. Obwohl sie kaum mehr Luft bekam, wusste sie, dass das ihre Chance war. Ihre rechte Hand war frei! Mit aller Wucht stieß sie ihm das Messer in den Oberschenkel. Es war, als ob es durch Butter glitt, sie spürte kaum einen Widerstand. Er ließ sie los, brüllte wie ein Tier, krümmte sich. Lea nutzte den Moment und versuchte, ihn von sich herunterzustoßen. Aber er war schwerer, als sie gedacht hatte. Sie richtete ihren Oberkörper auf, machte Anstalten, sich unter ihm herauszuwinden. Noch einmal trafen sich ihre Blicke. Hass brannte in seinen Augen. Er hob die Hand, sie war zu einer Faust geballt. Lea konnte dem Schlag nicht mehr ausweichen. Er traf sie seitlich am Kinn. Ihr Kopf knallte auf den Boden. Benommen sah sie ihn an. Der nächste Hieb ließ ihre Lippe aufplatzen. Sie konnte das warme Blut an ihrem Kinn spüren. Er wird mich erschlagen, war das Letzte, was sie dachte, bevor es um sie dunkel wurde.
Als sie aufwachte, war sie ernsthaft überrascht, noch am Leben zu sein. Aber die Schmerzen in ihrem Gesicht waren ein eindeutiger Beweis dafür. Vorsichtig tastete sie mit ihrer Zunge die Innenseite ihrer Lippen und ihre Zähne ab. Ihr Kiefer schmerzte, von der Schulter ganz zu schweigen. Sie versuchte, sich zu orientieren, und stöhnte auf. Man hatte sie wieder zurück in ihre Hütte gebracht, nur dass sie dieses Mal wie ein Rollschinken verschnürt war. Resigniert schloss sie die Augen.
»Sie sind dümmer, als ich gedacht habe.«
Sie hatte Crocodile nicht bemerkt. Er musste irgendwo hinter ihr stehen. Lea hielt die Augen geschlossen.
»Entschuldigen Sie bitte, dass Odu Sie so zugerichtet hat. Er ist ein Hitzkopf.«
Sein sanfter Singsang war unerträglich.
»Hatten Sie wirklich geglaubt, Sie kommen hier weg?«
Lea reagierte nicht. Der Rauch seiner Zigarette kroch ihr in die Nase.
»Hat Ihnen diese Mundumba geholfen? Sie wissen, dass sie die Camp-Hure ist?«
Obwohl sie sich vorgenommen hatte, nicht auf seine Fragen zu reagieren, schüttelte sie energisch den Kopf.
»Ist auch egal. Wenn es nach mir ginge, hätten Sie da draußen verrecken können. Aber ich muss Sie abliefern. Glück für Sie. Oder Pech.«
Sie hörte, wie er an ihr vorbeiging und die Hütte verließ.
Für einen kurzen Moment hatte sie gehofft, Crocodile würde sie gehen lassen. Doch sein letzter Satz hatte diese Hoffnung zunichtegemacht. Abliefern? Bei wem? Sie war müde, unendlich müde. Ihr ganzer Körper tat weh, ihr Mund war so ausgetrocknet, dass ihr die Zunge am Gaumen klebte. Bitte, flehte sie innerlich, bitte lass das hier bald vorbei sein. Ein Schluchzen kroch aus ihrer Kehle. Eingehüllt in Schmerz und Verzweiflung, lag sie auf dem dreckigen Boden der Hütte und wartete. Sollten sie doch mit ihr machen, was sie wollten. Es war ihr egal. Sie hatte keine Kraft mehr, sich zu wehren. Sie rührte sich nicht, als die Tür aufging.
»Lea?«
Sie öffnete die Augen und sah in Ranas geschundenes Gesicht. Ihr rechtes Auge war blutunterlaufen und dick geschwollen, an ihrer Unterlippe klaffte ein Riss, der erst kürzlich zu bluten aufgehört hatte. Lea brachte ein verzerrtes Lächeln zustande.
»Oh Rana! Was haben sie mit dir gemacht? Es tut mir so leid!«
Die Frau hob Leas Kopf ein wenig an und setzte ihr eine Wasserflasche an die Lippen. Sie trank gierig, verschluckte sich, hustete und spuckte. Rana wartete, bis sie sich beruhigt hatte, und startete einen zweiten Versuch. Das Schlucken tat zwar weh, aber die Flüssigkeit belebte sie. Die Frau nahm einen Zipfel ihres Kleides, machte ihn nass und wischte Lea vorsichtig über das Gesicht.
»Aua!«
Rana arbeitete unbeirrt weiter, säuberte ihr Kinn, rieb getrocknetes Blut aus ihrem Haaransatz. Lea mochte sich gar nicht vorstellen, wie sie im Moment aussah. Ranas mitleidigem Blick nach zu urteilen, wie die weibliche Version von Frankenstein. Lea war
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