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Bluterde

Bluterde

Titel: Bluterde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Praxmayer
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völlig überwältigt von der Selbstlosigkeit dieser Frau. Obwohl sie ihretwegen Prügel eingesteckt hatte, war sie gekommen, um ihr zu helfen. Das würde sie ihr nie vergessen. Wenn sie ihr doch nur helfen könnte! Sie wegbringen aus dieser Hölle, vielleicht nach Bukavu, ihr einen Job besorgen. Irgendetwas tun, was ihr Leben besser machen würde. Ein Lachen, so bitter wie der Geschmack in ihrem Mund, kam über ihre Lippen. Sie konnte sich ja nicht einmal selbst helfen. Verschnürt, verletzt und ausgeliefert, wie sie war. Obwohl jeder Zentimeter ihres Körpers schmerzte und sie Angst hatte, spürte sie, wie Wut in ihr aufstieg. Plötzlich sah Lea hinter Ranas Rücken den Preisboxer durch die offene Tür kommen.
    »Achtung!«, zischte sie der Freundin zu.
    Doch Francois war bereits bei ihr und stieß sie unsanft mit dem Fuß zur Seite. Wütend brüllte er sie an. Rana rappelte sich auf und rannte aus der Hütte. Leb wohl, dachte Lea, ich werde dich nie vergessen! Und ich hoffe, du kommst irgendwann aus diesem Loch raus.
    Francois kniete neben ihr und machte sich an ihren Fesseln zu schaffen. Schließlich waren nur noch ihre Hände auf den Rücken gefesselt und er zwang sie, aufzustehen. Es kostete Lea enorme Anstrengung, auf die Füße zu kommen. Benommen und schwach stand sie vor dem Koloss. Sie hatte Schwierigkeiten, ihn mit den Augen zu fixieren. Ihr Kopf dröhnte, ihre Arme und Beine fühlten sich an wie Watte. Lea schaffte zwei Schritte, bevor sie zusammensackte. Der Preisboxer grunzte. Er bückte sich und wuchtete sie auf die Schulter wie eine erlegte Antilope. Es war ihr egal, sie wollte nur noch schlafen.
     
    An Schlaf war für McAllister nicht zu denken, zu viel Adrenalin schoss noch durch seine Adern. Unruhig tigerte er durch sein Zimmer. Nach seinen vielen brenzligen Einsätzen in Kolumbien hatte er gedacht, dass ihn nichts mehr erschüttern könnte. Er hatte sich getäuscht. Die Einsatzbesprechung mit Polizeichef Okito, seinem Leutnant und dem Piloten war ein Fiasko gewesen. McAllister war von Anfang an klar gewesen, dass Okitos Männer keine US-Marines waren. Aber wie schlecht es in Sachen Ausrüstung und Ausbildung bestellt war, hatte er erst heute begriffen. Keine Nachtsichtgeräte. Sie mussten auf den Schutz der Dunkelheit verzichten und konnten frühestens in der Dämmerung losschlagen. Drop-Landing? Fehlanzeige. Die Männer hatten das Abspringen vom Helikopter nie trainiert. Der Transporthubschrauber würde also landen müssen. Und es gab genau einen Scharfschützen, der die Wachen am Landeplatz aus der Luft ausschalten konnte. Hoffentlich war der Mann wirklich so gut, wie Okito behauptete, denn es gab keinen Aufklärer, der ihn bei der Positionsbestimmung der Rebellen am Boden unterstützen konnte. McAllister schwitzte, obwohl er nur Boxershorts anhatte. Ein Primatologe, drei Wildhüter und ein Kommandozug kongolesischer Polizisten – was für ein Himmelfahrtskommando. Sein Instinkt sagte ihm, dass er die Aktion abblasen und auf die deutsche Spezialeinheit warten sollte. Ein eingespieltes, top ausgebildetes Team mit modernster Ausstattung war das, was er hier brauchte. Gleichzeitig wusste er, dass jede Stunde, die verstrich, Leas Tod bedeuten konnte. Er hatte keine Wahl.
    McAllister setzte sich auf sein Bett, stopfte sich das harte Kissen hinter den Rücken und fuhr seinen Laptop hoch. Er wollte noch einmal alles haarklein durchgehen. Das Dossier über Jean Mudaku alias »the Crocodile«, das Christopher Sikibi am Nachmittag per Mail geschickt hatte, war kurz, dafür umso beunruhigender. Der Kerl hatte einige Semester Psychologie studiert, eine paramilitärische Ausbildung und sich der Ruandischen Patriotischen Front angeschlossen, bevor er im Kongo zu einem der bedeutendsten Rebellenführer aufgestiegen war. Im Zweifelsfall, dachte McAllister, sind seine Männer besser ausgebildet als der Haufen, mit dem ich morgen losziehen muss. Er wischte den Gedanken fort und widmete sich wieder seinen Unterlagen. Christopher hatte mit Crocodiles Profil auch eine eingescannte Zeichnung mitgeschickt. Es war eine Skizze vom Lager, wie es vor ein paar Monaten ausgesehen hatte. Sein Kontaktmann in Goma hatte es vor ein paar Tagen irgendwie geschafft, einen potenziellen Überläufer aufzuspüren. Nachdem ein Deal ausgehandelt worden war, stellte sich allerdings heraus, dass der Ex-Rebell nicht annähernd so viel über Crocodile und seine Geschäfte wusste, wie er behauptet hatte. Aber immerhin hatte der Mann ein

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