Bluterde
ein schönes Haus, ein dickes Auto, eine Frau und zwei Geliebte. Das Leben meinte es gut mit ihm. In nur sieben Jahren hatte er es geschafft, vom kleinen Zwischenhändler zu einem der größten Comptoirs in Bukavu aufzusteigen. Seine Firma Intermet war jedem ein Begriff. Natürlich war das nicht ganz alleine sein Verdienst, aber seine einflussreichen Teilhaber hätten die Sache ohne ihn nicht durchziehen können. Er war das offizielle Gesicht von Intermet und sie konnten im Hintergrund bleiben. Das Telefonat von eben hallte noch in ihm nach. Er verstand ihre ganze Aufregung überhaupt nicht, er hatte eine weiße Weste. Schon vor Jahren hatte er dafür gesorgt, dass Dimitri als Zwischenhändler eine legale Handelszulassung bekommt. Ordnungsgemäß ausgestellt von den lokalen Behörden. Wen interessierte es, dass sein Cousin für dieses Stück Papier jedes Jahr eine ordentliche Stange Geld kassierte? Auch Intermet konnten sie nicht am Zeug flicken. Alles ordnungsgemäß, die Steuern für das offiziell nach Ruanda exportierte Coltan bezahlte er immer pünktlich. Dass der wesentlich größere Teil des Erzes seinen Weg illegal über verschlungene Pfade dorthin fand, wussten nur wenige und die bezahlte er gut für ihr Schweigen. Morgen Nacht würde wieder ein Konvoi in den kleinen Nachbarstaat starten. Fünf Lastwagen, gut bewacht. Achthundertfünfzig Dollar pro LKW zockte ihm Crocodile für den Begleitschutz nach Ruanda ab. Aber dafür kümmerten sich seine Männer auch um die Grenzposten. Ihm war es egal, ob sie die Beamten bestachen oder bedrohten – Hauptsache, die Ware kam unbehelligt bei Avomex an. Der Mann lächelte selbstzufrieden.
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12. KAPITEL
D raußen wurde es langsam dämmrig und Lea wartete sehnsüchtig auf das schlurfende Geräusch von Ranas Flip-Flops. In den letzten Stunden war ihr klar geworden, dass die freundliche Frau ihre einzige Chance war, wenn sie hier rauswollte. Jemandem zu vertrauen, den sie kaum kannte, wäre in ihrem normalen Leben undenkbar gewesen. Aber normal war ein Wort, das sie in den letzten Tagen aus ihrem Wortschatz gestrichen hatte. Als die Holztür endlich aufging, hüpfte Lea das Herz bis zum Hals. Sie würde alles auf eine Karte setzen. Rana kam auf sie zu, rote Zacken zuckten über ihr Kleid. In den Händen hielt sie eine Wasserflasche und ein kleines Paket, irgendetwas, das in Stoff eingewickelt war. Sie kniete sich zu Lea auf die Strohmatte und entknotete das Tuch. Duftende Kringel, eine Art Schmalzgebäck, ließen Lea das Wasser im Mund zusammenlaufen. Rana deutete auf sich und machte Handbewegungen, als ob sie Teig kneten würde. Lea verstand sofort. Schnell nahm sie ihre Fesseln ab und klatschte Beifall. Für den Bruchteil einer Sekunde schaute die Freundin irritiert auf ihre freien Hände, dann strahlte ihr Gesicht vor Stolz. Jetzt oder nie.
»Rana, du musst mir helfen!«
Die Frau blickte sie neugierig an.
»Ich muss hier weg!«
Lea legte die ganze Dringlichkeit in diese vier Worte. Dann sprang sie auf, um mit Gesten zu übersetzen, was sie eben gesagt hatte. Rana runzelte die Stirn und schüttelte energisch den Kopf.
»Lea, no! C’est très dangereux!«
»Ich weiß, dass es gefährlich ist. Aber bitte hilf mir!«
Sie legte Rana ihre Hände auf die Schultern und schaute sie verzweifelt an.
»Bitte!«
Sie verstärkte den Druck ihrer Hände. Die Frau machte ein ratloses Gesicht.
»Bitte schließ die Türe nicht ab!«
Lea ging hinüber zur Tür und sperrte ein imaginäres Schloss auf. Die Augen in Ranas Gesicht glichen denen eines gehetzten Tieres. Sie übergoss Lea mit einem unverständlichen Redeschwall.
Sinnlos, dachte Lea. Schließlich standen sich die beiden Frauen stumm gegenüber.
»Es ist okay. Ich verstehe dich.«
Sie strich Rana über den Oberarm und schenkte ihr ein Lächeln. Dann ging sie zurück zu ihrer Strohmatte und ließ sich mit einem Seufzer nieder und nahm einen Kringel aus dem Tuch. Die Freundin stand mit hängenden Schultern vor ihr. Rana sah aus, als ob sie noch etwas sagen wollte, doch dann drehte sie sich um und verließ die Hütte.
»Toller Plan!«, fluchte Lea laut. Doch es dauerte nicht lange, bis ihr Ärger in Verzweiflung umschlug. Sie konnte nicht einmal mehr weinen. Dumpf starrte sie auf die gegenüberliegende Wand, bis das Grau der Dämmerung dem Schwarz der Nacht gewichen war. Mit der Dunkelheit kroch ihre Angst wie eine Schlange aus dem Loch. Lea tastete nach dem Messer, klappte es auf und legte es neben sich. Ohne
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