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Bluternte: Thriller

Bluternte: Thriller

Titel: Bluternte: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Bolton
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kurzer Weg, kaum zwei Meter bis zur Veranda.
    Der Motor war verstummt. Hinter ihr ging Harrys Tür auf. Er war viel schneller als sie, er würde um den Wagen herum sein, bevor sie auch nur auf den Füßen stand. Ja, da war er, hielt ihr die Hand hin, und würde es etwas bringen, ihm zu sagen, dass sie schon zurechtkam? Wahrscheinlich nicht, und außerdem, das hier war ein neuer Harry, mit dunkleren Augen, und er schien größer geworden zu sein. Ein Harry, der nichts sagte, dessen Arm um ihre Taille lag, als er sie eilig durch den strömenden Regen lotste, in den Schutz der Veranda. Definitiv ein neuer Harry, der sie zu sich herumdrehte, dessen Finger in ihr Haar griffen und dessen Kopf sich zu ihr herabbeugte, während die Welt dunkel wurde.
    Oh, das konnte doch kein Kuss sein – das war ein Schmetterling, der mit den Flügeln gegen ihren Mund schlug, sich leicht auf der Wölbung ihrer Wange niederließ, an der Stelle, wo das Lächeln beginnt.
    War das ein Kuss? Dieses sanfte Liebkosen der Lippen? Dieses irrwitzige Gefühl, dass sie überall berührt wurde?
    Und das konnte doch ganz bestimmt kein Kuss sein, nicht jetzt, wenn sie an einen dunkelsamtenen Ort davonkreiselte. Hände waren in ihrem Haar – nein, eine lag ganz unten auf ihrem Rücken, hielt sie fester. Der Regen auf dem Dach über ihrem Kopf fühlte sich in ihrem Kopf wie Trommeln an. Finger streichelten ihre Wange. Wie konnte sie den Geruch der Haut eines Mannes vergessen haben oder die Last seines Körpers, der sie gegen die Wand der Veranda drängte? Wenn das hier ein Kuss war, warum brannten dann Tränen ganz hinten hinter ihren Augen?
    »Möchtest du mit reinkommen?«
    Hatte sie das laut gesagt? Sie musste es laut gesagt haben. Denn sie küssten sich nicht mehr, waren sich nur noch so nahe, dass das keinen Unterschied machte, und sein Atem wirbelte wie warmer Nebel um ihr Gesicht.
    »Es gibt nichts, was ich lieber täte«, antwortete er mit einer Stimme, die überhaupt nicht wie Harrys klang.
    Die Hausschlüssel waren in ihrer Jackentasche. Nein, sie hatte sie in der Hand. Ihre Hand streckte sich nach dem Schloss. Seine legte sich darum und hielt sie zurück.
    »Aber –«, sagte er.
    Warum gab es nur immer ein Aber?
    Er zog ihre Hand zurück, drückte sie an seine Lippen. »Wir haben das mit der Pizza oder dem Film doch noch nicht gemacht«, flüsterte er. Sie konnte ihn bei dem Lärm des Regens fast nicht verstehen.
    Und du bist Geistlicher, dachte sie.
    »Und ich will das hier wirklich nicht überstürzen.« Er ließ ihre Hand los und hob ihr Kinn an, so dass sie ihm direkt ins Gesicht sah.
    »Das ist ziemlich süß«, meinte sie. »Und ganz schön weibisch.«
    Daraufhin war Harry wieder da, grinste sie an, hob sie hoch und hielt sie fest an sich gedrückt. »An mir ist nichts auch nur andeutungsweise weibisch«, zischte er ihr ins Ohr, »und ich habe vor, dir das in naher Zukunft zu beweisen. Und jetzt mach, dass du reinkommst, du Nervensäge, ehe ich’s mir anders überlege.«
    Als das Telefon klingelte, war Harrys erster Gedanke, dass er doch gerade eben erst eingeschlafen war und dass es Evi wäre, die ihn bitten wollte, zu ihr zu kommen. Er rollte sich im Bett herum und wusste einen Moment lang nicht mehr, auf welcher Seite das Telefon stand. Weißt du was? Scheiß drauf. Scheiß auf die Pizza, scheiß auf den Film, scheiß auf alles, er würde zu ihr fahren.
    Nein, auf der Seite stand der Wecker. Es war 3.01 Uhr. Er drehte sich um und streckte die Hand aus. In zwei Minuten konnte er angezogen sein, in zehn bei ihr zu Hause. Um 3.15 Uhr könnte er …
    »Hi.« Er drückte den Hörer ans Ohr.
    »Reverend? Reverend Laycock?« Es war eine Männerstimme. Ein alter Mann. Er würde tatsächlich losfahren, aber nicht zum warmen Bett einer Frau. Irgendjemand lag im Sterben. Sex oder Tod – die einzigen Gründe, jemanden mitten in der Nacht anzurufen.
    »Hier Renshaw. Renshaw senior. Mein Sohn hat mich gebeten, Sie anzurufen.«
    Tobias Renshaw, der Vater seines Kirchenvorstehers, rief ihn nachts um drei an?
    »Mein Sohn entschuldigt sich dafür, dass er nicht selbst anruft und dass wir Sie aufwecken, aber ich fürchte, Sie werden sofort in der St.-Barnabas-Kirche gebraucht. Sie werden die Polizeiwagen davor gleich sehen. Wenn Sie dort ankommen, sollen Sie sich bei Detective Chief Superintendent Rushton melden.«

49
     
3. November
    Simba, Millies blauer Teddybär, lag am Fuß der Treppe auf dem Rücken. Als Tom ihn zum letzten Mal gesehen

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