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Bluternte: Thriller

Bluternte: Thriller

Titel: Bluternte: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Bolton
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ging, bemerkte er den Rand eines Sarges, kurz bevor das Holz völlig zerfiel und den Blick auf den Inhalt freigab.
    Der Schädel grinste Tom mit winzigen weißen Zähnen an. Fleischfetzen, wie altes gelbes Leder, klebten noch immer daran. Hastig krabbelte Tom von dem Leichnam fort. Er spürte, wie der Schrei in seinem Kopf anwuchs, und wusste, dass er vielleicht nie wieder würde aufhören können, wenn er ihn herausließ.
    Ein neuerlicher Erdschwall flutete auf ihn herab, durchsetzt mit bleichen Gegenständen. Das konnten nur Knochen sein, das wusste er. Tom warf den Kopf zurück und setzte dazu an, den Schrei herauszulassen, als ein Lichtstrahl sein Gesicht traf und ein Arm seine Schulter packte. Tom wirbelte herum. Eine kleine Gestalt in einem gelben Regenmantel kniete neben ihm, die Kapuze hochgeschlagen und festgezurrt und mit einer Taschenlampe in der Hand. Es war Joe.
    Tom stemmte sich hoch. Alles in seinem Kopf schrie ihm zu, ins Haus zurückzurennen, seine Mum und seinen Dad zu wecken, die Polizei zu rufen. Als er in Richtung Hintertür losstürzen wollte, zerrte Joe ihn zurück.
    »Nein, warte!«, schrie Joe und gab sich alle Mühe, sich durch den Wind verständlich zu machen. »Wir müssen sie finden.«
    »Es ist zu spät«, schrie Tom zurück. Oben im Kirchhof war von der dunklen Gestalt nichts zu sehen. »Sie ist weg. Wir müssen Mum und Dad holen.«
    Joe leuchtete mit der Taschenlampe den Boden zu ihren Füßen ab. Tom hätte ihn am liebsten angebrüllt, dass er das bleiben lassen sollte. Das Ganze war so viel schlimmer, wenn man es richtig sehen konnte. Der Schädel, der sich jetzt vom Rest des Leichnams gelöst hatte, lag ein paar Meter entfernt. Lucys kleine Statue war zusammen mit dem Rest von ihrem Grab herabgefallen. Sargtrümmer lagen überall verstreut. Tom sah etwas, das er für eine menschliche Hand hielt, die Fingerknochen zur Faust geballt.
    Joe schien nach irgendetwas zu suchen. Endlich erfasste der Taschenlampenstrahl die schwarze Tasche, mit der der Eindringling zu fliehen versucht hatte. Sie war halb unter einem Haufen Schlamm und Steine begraben. Mit einem Aufschrei stürzte Joe darauf zu und begann, an den Tragegriffen zu reißen. Vorsichtig tappte Tom zu seinem Bruder hinüber, um mit anzufassen.
    Mit einem schmatzenden Geräusch löste sich die Tasche, und die Jungen, die noch immer die Griffe umklammerten, taumelten rückwärts. Joe fiel auf die Knie und fing an, an dem Reißverschluss zu zerren. Er quietschte vor hilfloser Ungeduld und schaffte es endlich, ihn mit Gewalt aufzuziehen. Dann konnte Tom ihn im bleichen Schein der Taschenlampe grinsen sehen. Er fiel neben seinem Bruder auf die Knie und schaute in die Tasche. Dort lag Millie. Noch während die Jungen sie anstarrten, öffneten sich ihre Augen. Erstaunt blinzelte sie zu ihren Brüdern empor, während Regentropfen auf ihr Gesicht zu fallen begannen.

50
     
    Irgendetwas dröhnte laut in Harrys Brust. Nicht sein Herz, sein Herz machte nie solchen Krach. Sollte er etwas sagen, ihnen erklären, dass er wusste, wer eines der toten Kinder war?
    Es tat fast weh, dieses Hämmern gegen seine Rippen. Wenn das wirklich sein Herz war, dann hatte er ein ernstes Problem. Herzen sollten nicht so heftig schlagen.
    Jetzt konnte er nichts sagen, es würde sich lächerlich anhören, sogar hysterisch. Morgen wäre es noch früh genug. Er schaute nach unten, um sich zu vergewissern, dass er auf die ausgelegten Matten trat, und verließ das abgesperrte Areal. Die weiß gekleideten Gestalten um ihn herum machten sich wieder an die Arbeit.
    Der Garten der Fletchers war ein einziger Morast. Harry trat in Detective Chief Superintendent Rushtons Spuren und folgte dem locker zusammengestückelten Stahlpfad, der über den Schlamm gelegt worden war. Über ihnen hielt ein behelfsmäßiges Plastikdach den ärgsten Regen ab. Starke Scheinwerfer auf hohen Stangen waren an den vier Ecken aufgestellt worden. Jetzt, da er dem Haus zugewandt war, konnte Harry Licht in den Fenstern des Erdgeschosses sehen. Alle Rollos und Vorhänge waren zugezogen.
    »Einen schlimmeren Tatort als das hier gibt es gar nicht«, bemerkte Rushton, als sie zum Haus zurückgingen. »Wir arbeiten im Dunkeln, bei Sauwetter, der Matsch ist stellenweise fast dreißig Zentimeter tief, und es sieht so aus, als wäre überall herumgetrampelt worden, bevor wir gekommen sind.«
    Eine der weiß gekleideten Gestalten schritt langsam die innere Absperrung ab und machte Fotos. Eine andere, die

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