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Bluternte: Thriller

Bluternte: Thriller

Titel: Bluternte: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Bolton
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hatte, es war noch keine fünf Stunden her, hatten die Arme seiner kleinen Schwester ihn fest umschlungen. Also hatte das Stofftier entweder Geschmack an mitternächtlichen Ausflügen gefunden, oder irgendetwas stimmte hier ganz und gar nicht. Tom rannte über den Flur in Millies Zimmer. Das Kinderbett war leer.
    Unten knallte eine Tür zu. Hastig schaute Tom zum Zimmer seiner Eltern hinüber. Es war keine Zeit, irgendetwas anderes zu tun, als lauthals zu brüllen, während er über den Flur stürzte, die Treppe hinunter und dann durch die Küche. Er hatte die Hintertür gehört. Wer immer Millie mitgenommen hatte, er hatte gerade erst das Haus verlassen.
    Er fühlte einen Schwall kalte Luft, als er sich um den Küchentisch herumwand. Die Hintertür war wieder aufgeflogen, und die Holzdielen der Garderobe waren nass. Draußen regnete es noch immer heftig, und sogar im Türrahmen zerrte der Wind an ihm, als er auf die Schlammmassen des Gartens hinausblickte. Eiskalte Regensalven durchnässten seinen Schlafanzug.
    Noch hatten seine Augen sich nicht an die Dunkelheit gewöhnt. Er kniff die Lider zusammen und konnte gerade eben die Kirchhofmauer erkennen und die Lorbeerbäume direkt dahinter. Von der Eibe und Lucy Pickups Grab her hörte er ein Ächzen.
    Irgendjemand war dort draußen. Mit Millie.
    »Dad!«, schrie er. Keine Antwort. Ihm blieb wirklich nichts anderes übrig. Er musste dort raus.
    Der unablässige Regen der letzten Stunden hatte zusammen mit den Niederschlägen der letzten ein oder zwei Tage den Garten in einen Sumpf verwandelt. Dicker schwarzer Matsch schwappte über Toms Füße, als er aus dem Schutz der Hintertür trat. Noch ein paar Schritte, und er konnte besser sehen. Eine schwarze Gestalt versuchte, auf die Mauer zu klettern, doch sie hatte etwas in der einen Hand, etwas, das aussah wie eine große schwarze Reisetasche.
    »Dad!«, brüllte er, so laut er konnte, und versuchte, seine Stimme in Richtung Haus zu lenken, wollte jedoch den Blick nicht von der Gestalt an der Mauer abwenden. »Dad!«
    Sein Dad würde niemals rechtzeitig hier sein. Tom stürzte los, sank bis zu den Knien in den Schlamm ein und schaffte es gerade noch, eines der Beine des emporkletternden Eindringlings zu packen. Das Mädchen – denn wer konnte es sonst sein? – begann nach ihm zu treten, doch sie verlor mit den Händen den Halt an der Mauer. Ihre Hand griff nach oben, und sie trat ein letztes Mal zu. Darauf war Tom nicht gefasst gewesen. Ihr Stiefel traf ihn seitlich ins Gesicht, und er ließ los. Sie machte eine Art Satz, und dann lag sie bäuchlings auf der Mauer und kam wild strampelnd auf die Beine. Fast war sie schon entkommen, doch die schwarze Tasche, die sie geschleppt hatte, lag noch am Fuß der Mauer.
    Das Mädchen schaute erst die Tasche und dann Tom an und blickte dann mit einer ruckartigen Kopfbewegung auf die Mauer hinab, auf der sie stand. Sie taumelte, fiel fast hin und sprang dann auf der anderen Seite hinunter.
    Die Mauer bewegte sich. Das war nicht möglich, aber es geschah trotzdem. Die vorgewölbten Steine, die jahrelang Tonnen von Erde zurückgehalten hatten, schienen anzuschwellen. Tom sah, wie erst ein Stein, dann ein zweiter und dann noch mehr von der Mauerkrone kippten und in den Garten fielen. Durch die Lücke, die sie hinterließen, begann Erde aus dem Friedhof herabzuströmen. Einer der Grabsteine schien näher zu rutschen. Mehr als alles andere wollte Tom davonlaufen, doch irgendetwas ließ ihn wie angewurzelt stehen bleiben.
    Die Beule in der Mauer schwoll immer weiter an, wie eine schwangere Frau, die im Begriff war, etwas Grauenvolles zu gebären. Die schwarze Gestalt auf der anderen Seite der Mauer trat ein paar Schritte zurück, als mehr und mehr Erde abrutschte.
    Dann barst die Mauer einfach auseinander, wie ein von einem Kleinkind gebauter Turm. Steine flogen in alle Richtungen, und schwarze Flüssigkeit quoll in einem dicken Schwall hervor. Der Grabstein, der der Mauer am nächsten war – Lucy Pickups Grabstein –, schlidderte näher und näher und stürzte dann um. Er zerbrach in zwei Teile, als er keinen Meter von Tom entfernt aufschlug. Erde ergoss sich das Gefälle hinab, wo die Mauer gewesen war, und ein Gestank nach Abflussrohren und Verfaulendem erstickte ihn fast.
    Das Mädchen wich immer weiter zurück. Tom machte einen Schritt vorwärts, und irgendetwas prallte schwer neben ihm auf, verfehlte ihn um Zentimeter und brachte ihn aus dem Gleichgewicht. Als er zu Boden

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