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Bluternte: Thriller

Bluternte: Thriller

Titel: Bluternte: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Bolton
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ihn zurück. »Mir ist nicht kalt«, sagte sie. »Warum sind Sie Geistlicher?«
    Einen Augenblick lang sah er verblüfft aus. »Um dem Herrn zu dienen«, antwortete er und schaute auf sie hinab. Dann blickte er zum Himmel hinauf. »War das Regen?«
    »Nein.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich brauche mehr als das. Ich muss verstehen, was einen Mann wie Sie dazu veranlasst, Geistlicher zu werden.«
    Er lächelte noch immer, doch seine Augen sahen sie wachsam an. »Das ist ganz schön viel verlangt für ein erstes Date. Und das war jetzt definitiv ein Regentropfen. Kommen Sie, zurück zum Auto.«
    Sie ließ sich von ihm zum Beifahrersitz zurückführen und erlaubte ihm, ihr die Tür aufzuhalten, bis sie wieder saß.
    »Sie haben doch gesagt, das hier wäre kein Date«, bemerkte sie, als er ebenfalls einstieg und sich auf seinem Sitz herumdrehte, um das Verdeck wieder hochzuklappen.
    »Ich habe gelogen«, brummte er, ließ das Verdeck einrasten und startete den Motor. Dann schien er es sich anders zu überlegen und schaltete ihn wieder aus.
    »Ich hatte nie vor, Geistlicher zu werden«, sagte er. »Ich stamme aus einer Arbeiterfamilie in Newcastle, das waren keine Kirchgänger, und der Gedanke ist mir nie gekommen. Aber ich war klug, ich habe ein Stipendium an einer guten Schule bekommen und bin ein paar wirklich beeindruckenden Lehrern begegnet. Geschichte, das war mein Ding, besonders Religionsgeschichte. Organisierte Religionen fand ich faszinierend: die Rituale, die Geschichte, die Kunst und die Literatur, die Symbole – eigentlich alles. An der Uni habe ich Religionswissenschaft studiert, nicht Theologie.«
    Sie wartete darauf, dass er weitersprach. »Was ist passiert?«, fragte sie, als er es nicht tat. »Hatten Sie einen ›Straße nach Damaskus‹-Moment?«
    Er trommelte mit den Fingern aufs Lenkrad. Er wollte nicht gerne darüber reden. »Irgendwie schon«, sagte er. »Die Leute haben andauernd gesagt, dass ich einen guten Priester abgeben würde. Da war nur dieses kleine Problem mit dem Glauben.«
    Der Regen kam wie aus dem Nichts, er dröhnte wie kleine Steine auf das Verdeck des Wagens. »Sie haben nicht geglaubt?«, wollte sie wissen.
    Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar. »Ich war fast so weit«, sagte er. »Ich konnte mir einreden, dass ich an alle klar umrissenen Teile glaube, aber die waren immer noch bloß eine Riesenmasse separater Theorien. Klingt das irgendwie logisch?«
    »Ich glaube schon«, antwortete Evi, obwohl das eigentlich nicht stimmte.
    »Und dann ist eines Tages etwas passiert. Ich … habe die Verbindung erkannt.«
    »Die Verbindung?«
    »Jep.« Der Motor lief wieder, er setzte rückwärts vom Rand des Tor zurück. »Und das ist alles, was Sie für heute Abend von meinem Inneren Mann zu sehen bekommen, Dr. Oliver. Schnallen Sie sich an und machen Sie sich startklar.«
    Sie fuhren mit einer Geschwindigkeit übers Moor, bei der sich Evi unwillkürlich wünschte, sie würde an eine Gottheit glauben, zu der sie beten könnte. Sie wagte nicht, ihn wieder anzusprechen, irgendetwas zu sagen, was ihn ablenken könnte. Außerdem war sie gerade lachhaft unbesonnen gewesen. Wie konnte sie sich einreden, dass sie sich nicht mit ihm eingelassen hatte, wenn sie wusste, dass die Haut seines Halses nach Limonen und Ingwer roch und welche Stelle auf seiner Brust ihre Lippen treffen würden, wenn sie sich an ihn lehnte?
    Kurz nachdem der Regen eingesetzt hatte, rannen kleine Bäche die Straßenböschung hinab. Eine Viertelstunde später verließen sie das Moor und waren geradezu deprimierend nahe bei ihrem Haus.
    »Also, wie geht’s jetzt weiter?«, wollte Harry wissen, als er in ihre Straße einbog.
    »Ich habe diese Woche einen Termin mit Tom«, meinte sie. »Er scheint sich jetzt in meiner Gegenwart mehr zu entspannen. Vielleicht macht er ja ein bisschen auf. Wenn er nur die Existenz –« Harry hatte vor ihrem Haus angehalten.
    »Ich habe nicht von den Fletchers gesprochen«, sagte er mit einer Stimme, die eine Oktave tiefer geworden zu sein schien.
    »Ich gehe jetzt lieber.« Sie bückte sich, um nach ihrer Handtasche zu suchen. »Ich muss morgen früh raus, und … Das war eine gute Idee, das mit heute Abend. Vielen Dank, ich denke, es hilft mir weiter.« Sie wandte ihm den Rücken zu und fand den Türgriff, war sich darüber im Klaren, dass sie beobachtet wurde. Sie musste schnell sein. Sie konnte ihm über die Schulter hinweg Gute Nacht zurufen, während sie den Weg hinaufging. Es war ein

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