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Bluternte: Thriller

Bluternte: Thriller

Titel: Bluternte: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Bolton
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sein?«
    Sie kamen um eine weitere Kurve und sahen Heptonclough, das bereits ein ganzes Stück unter ihnen lag und im Dunkeln glitzerte wie eine Märchenstadt.
    »Er hat behauptet, er wüsste es nicht«, antwortete Evi. »Er hätte nicht gewusst, dass noch jemand dort war. Natürlich hat er gelogen, die Bilder waren eindeutig auf die Gestalt fokussiert. Dafür hätte Tom wissen müssen, dass die oder der Betreffende da war. Ich habe den Verdacht, dass er irgendeinen Freund überredet hat, sich auf dem Friedhof herumzutreiben und so zu tun, als wäre er dieses Mädchen. Aber die Sache ist die, das ist clever, und es ist rational. Für mich zeigt das, dass er weiß, dass es das Mädchen nicht gibt, doch er will trotzdem unbedingt, dass wir daran glauben. Er macht absichtlich Bilder, von denen er weiß, dass sie missverständlich sein werden.«
    »Er hat also nicht ausdrücklich behauptet, dass das dieses Mädchen wäre?«
    Wieder eine Kurve, wieder ein Blick auf die dunkle Landschaft unter ihnen.
    »Nein. Mir gegenüber hat er ihre Existenz noch immer nicht zugegeben. Also konnte er auch nicht darauf zu sprechen kommen. Warum fahren wir eigentlich aufs Hochmoor?«
    »Eine Abkürzung«, antwortete Harry. »Was ist, wenn es das Mädchen doch gibt?«
    Evi überlegte einen Moment lang und lächelte dann sein Profil an. »Laut seinen Eltern spricht Tom in Begriffen über dieses Mädchen, die andeuten, dass es nicht menschlich ist«, erwiderte sie. »Und übrigens gibt es keine Abkürzungen übers Moor. Wollen Sie mich entführen?«
    »Jep«, antwortete er. »Und was ist mit irgendjemandem, der ungewöhnlich aussieht? Soweit ich es verstanden habe, sieht Tom sie nur nachts. Es könnte doch sein, dass er da durcheinanderkommt. Was, wenn es jemanden gäbe, der sich gern versteckt, der anderen gern Streiche spielt? Vielleicht jemand, der ein bisschen gestört ist?«
    Sie fuhren immer höher den Hügel hinauf, und die Dunkelheit breitete sich um sie herum aus wie ein Tintenpfuhl, wallte über das Moor. Von irgendwo unter ihnen fauchte eine Rakete empor. Als die Funken erstarben, konnte Evi die dunklen Umrisse von Bäumen vor dem Himmel sehen.
    Sie dachte kurz nach und schüttelte dann den Kopf. »Nur Tom sieht und hört sie. Wo genau fahren wir eigentlich hin?«
    »Und wenn Gillian sie auch hört?«
    »Gillian?«
    »Gillian hört ihre tote Tochter nach ihr rufen. Sie schwört, dass es Hayleys Stimme ist. Hat sie Ihnen das erzählt?«
    Das hatte Gillian ihr nicht erzählt. Nein, hatte sie gesagt, ich sehe sie nie. Ich sehe sie nie?
    Harry wurde langsamer. Er schaltete das Fernlicht ein und fuhr von der Straße herunter. Jetzt rollten sie über das offene Moor, auf einem kaum zu erahnenden Feldweg. Vor ihnen war anscheinend … gar nichts.
    »Sie sagt, jemand kommt in ihre Wohnung«, fuhr er fort und wurde noch langsamer, als der Wagen auf dem unebenen Untergrund zu holpern und zu ruckeln begann. »Jemand verlegt Sachen, besonders Hayleys Spielzeug.«
    Sie hatten eine kleine offene Fläche erreicht. Harry schaltete den Motor und die Scheinwerfer aus. Die plötzliche Stille war erschreckend, das jähe Verschwinden des Lichts sogar noch erschreckender. Neben ihr wurde Harry zu nicht viel mehr als Umriss und Schatten, und doch war es jetzt aus irgendeinem Grund sogar noch schwerer, ihn anzusehen.
    »Gillian und Tom sind nicht ohne Grund meine Patienten«, meinte Evi. »Beide haben Probleme.«
    Jäh bewegte er sich – es war unmöglich, nicht nach Luft zu schnappen –, doch er griff nur nach oben ans Verdeck und löste die Verriegelung. Das weiche Leder klappte nach hinten zusammen, und die Nacht, schwarzpulver- und holzrauchschimmernd, legte sich um sie wie eine kühle Decke. Über Evis Kopf hatte der Himmel die Farbe von Pflaumen, und die Sterne schienen ein oder zwei Lichtjahre näher an die Erde herangerückt zu sein.
    »Sagen Sie Bescheid, wenn Ihnen kalt wird«, sagte er und ließ sich in den Sitz zurücksinken. Eine Sekunde des Schweigens, und dann: »Und was ist, wenn ich sie auch gehört habe?«
    Sie riskierte einen richtigen Blick. Die Hände hinter dem Kopf, lehnte er sich in seinem Sitz zurück und starrte zum Himmel empor. Was immer er gleich sagen würde, es war etwas, worüber er ungern sprach.
    Die Nachtluft fühlte sich in Evis Nasenlöchern feucht an. Bald würde es regnen. Eine Salve violetter Sterne schoss in den Himmel hinauf und lenkte sie beide einen Augenblick ab.
    »Genau diese Farbe haben Ihre Augen«,

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