Bluternte: Thriller
war in ihren Jackenärmel geschlüpft. »Du hast so weiche Haut«, sagte er leise.
»Wenn sich herausstellt, dass dieses Kind, das sie gestern Nacht gefunden haben, Hayley ist«, sagte Evi, packte seine Hand und löste sie energisch von der ihren, »dann kann ich überhaupt nicht vorhersagen, wie Gillian reagieren wird. Ich kann die Therapie nicht abgeben, nicht einmal …«
Sie hielt inne. Es brauchte nicht laut ausgesprochen zu werden.
»Wenn sich herausstellt, dass dieses Kind, das sie gestern Nacht gefunden haben, Hayley ist«, sagte Harry und lehnte sich von Neuem auf der Bank zurück, »dann werde ich sie beerdigen müssen.«
60
9. November
»Sie hatten recht, Reverend. Sie sind in der Krypta aufbewahrt worden. In der dritten Grabkammer an der Vorderseite. Wir haben Haarpartikel und Blutspuren gefunden, von beiden. Und auch noch andere Körperflüssigkeiten. Sogar einen Knopf.«
»Gott gebe ihren Seelen Frieden«, sagte Harry.
»Gewiss.« Rushtons Stimme am Telefon klang ungewöhnlich gedämpft. »Natürlich haben wir diese Grabkammer durchsucht, als wir nach Megan gesucht haben, und damals war sie leer«, fuhr er fort. »Also war die Leiche anfangs offensichtlich woanders versteckt gewesen, möglicherweise sogar im Haus des Mörders, während wir gesucht haben. Und als sich dann die ganze Aufregung gelegt hatte, wurde sie in die Krypta geschafft.«
Harry sah auf die Uhr. Sechs Uhr abends. Hatte es Sinn, Evi anzurufen? Es war vier Tage her, seit sie sich das letzte Mal die Mühe gemacht hatte, ans Telefon zu gehen.
»Außerdem haben wir im Hauptteil der Kirche Blutspuren gefunden«, berichtete Rushton weiter. »Wie nennt man das, das Kirchenschiff?«
Harry murmelte irgendetwas.
»Genau unter der Empore. Die Steinplatten sind sauber gewischt worden, aber wir haben etwas von dem Mörtel dazwischen rausgekratzt«, sagte Rushton gerade. »Wir konnten das Blut beiden Mädchen zuordnen.«
»Und es ist bestätigt worden, dass es sich um Megan und Hayley handelt?«
Rushton seufzte. »Aye. Wir haben die Ergebnisse der DNA -Untersuchung bereits bekommen. Nicht dass irgendeiner von uns wirklich daran gezweifelt hätte. Wir warten immer noch darauf, etwas über den Inhalt der Urne zu erfahren, die Gillian Royle ausgehändigt wurde. Gott steh uns bei, wenn das noch ein vermisstes Kind ist.«
»In der Tat«, pflichtete Harry ihm bei. »Irgendwelche Verdächtigen?«
»Wir gehen mehreren Hinweisen nach«, antwortete Rushton.
Harry wartete. »Was ist mit der Puppe, die ich unter der Empore gefunden habe?«, fragte er, als ihm klar wurde, dass Rushton nicht mehr preisgeben würde.
»Wir haben mit der Familie gesprochen, die sie gebastelt hat«, erwiderte der Detective. »Sie haben gesagt, sie hätten am Abend des Freudenfeuers danach gesucht und hätten sie nicht finden können. Behaupten, sie hätten keine Ahnung, wie sie in die Kirche gekommen sein könnte. Es waren ein paar Fingerabdrücke daran, die zu niemandem aus der Familie passen, also könnte es sein, dass sie die Wahrheit sagen. Der Pullover hat Millie Fletcher gehört, ihre Mutter hat ihn identifiziert.«
»Und wie ist der da hingekommen?«
»Unserer Meinung nach von der Wäscheleine geklaut. Das wäre nicht schwer, der Garten ist leicht zugänglich. Ich habe für die nächsten Wochen für verstärkte Polizeipräsenz im Ort gesorgt. Wir werden das Haus sehr genau im Auge behalten.« Wieder seufzte er tief. »Wir reden mit dem kleinen Tom Fletcher und seiner Psychiaterin über dieses Mädchen, das sich anscheinend hier rumgetrieben hat«, setzte er hinzu. »Wir müssen sie finden.«
»Sie wohnt bestimmt hier im Ort«, meinte Harry. »So schwer kann das ja nicht sein.«
»Das Problem ist nur, Toms Fantasie ist eher am kreativen Ende des Spektrums angesiedelt. Er spricht über dieses Mädchen, als wäre sie gar kein richtiger Mensch. Wir können ja wohl schlecht von Tür zu Tür gehen und nach einem Ungeheuer in Menschengestalt suchen.«
»Wahrscheinlich nicht.«
»Und wir haben den Stiefel identifiziert, von dem der Abdruck stammt, der an jenem Abend im Garten gefunden wurde. Ein Gummistiefel, genau wie wir gedacht haben, Größe 42, mit Gummisohle, in Frankreich hergestellt. Leider werden jedes Jahr etliche Tausend Paar von den Dingern eingeführt, und allein im Nordwesten gibt es über ein Dutzend Geschäfte, die sie vertreiben. Wird eine Weile dauern.«
Sobald er aufgelegt hatte, versuchte Harry, Evi zu erreichen. Ihr Anrufbeantworter
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