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Bluternte: Thriller

Bluternte: Thriller

Titel: Bluternte: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Bolton
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retten.«

71
     
    Harry öffnete die Tür zur Kirchenkrypta. Der schale Geruch nach längst Vergessenem stahl sich zu ihm herauf. Er griff nach der Taschenlampe und dem Werkzeugkasten, die er beide aus seinem Auto mitgenommen hatte.
    Die Finsternis dort unten schien dichter geworden zu sein. Rushton und sein Team würden eintreffen, sobald es hell wurde. Sie würden in Kirche und Krypta das Unterste zuoberst kehren. Es wäre dumm von ihm, irgendetwas zu unternehmen, was diese Suche gefährden könnte. Andererseits waren es bis zum Morgengrauen noch elf Stunden. Joe könnte jetzt dort unten sein.
    Doch es war so viel leichter gewesen, diese Stufen hinunterzusteigen, als es draußen hell und er nicht allein gewesen war und bevor die Leichen ermordeter Kinder aufgetaucht waren. Als er das letzte Mal hier gestanden hatte, war ihm das Böse nicht nahe genug gekommen, um ihm über den Nacken zu streichen. Er leuchtete die Treppe hinunter. Die Taschenlampe war stark, trotzdem konnte er nicht mehr als ein Dutzend Stufen ausmachen. Er stand noch immer auf der ersten.
    Der Schlüssel steckte im Türschloss. Wenn er hinunterstieg und ihn stecken ließ, dann könnte irgendjemand ganz leise die Tür zudrücken, den Schlüssel umdrehen und … Der Schlüssel wanderte in seine Hosentasche. Er atmete tief durch, straffte die Schultern. Das war doch lächerlich. Er war ein erwachsener Mann. Es war doch nur ein Keller. Würde dies die Nacht sein, in der er herausfand, dass er ein Feigling war?
    Im Lichtstrahl der Taschenlampe schien sich die Dunkelheit zu regen, als sammle sie ihre Kräfte, als warte sie darauf, dass er sich ein Herz fasste, und wüsste genau, dass er das wahrscheinlich nicht tun würde. Er war ein Mann Gottes. In einer Kirche. Würde dies außerdem die Nacht sein, in der er herausfand, dass sein Glaube nur Heuchelei war?
    »Und ob ich schon wandere im finsteren Tal, fürchte ich kein Unglück«, flüsterte Harry und fühlte sich augenblicklich noch elender. Jeder, der ihm zuhörte, würde wissen, dass er log. Er hatte schreckliche Angst. »Ich fürchte kein Unglück«, versuchte er es von Neuem, »denn du bist bei mir.«
    Er stand noch immer auf der ersten Stufe, und Joe, der kleine, sechs Jahre alte Joe, könnte dort unten sein, durchgefroren und völlig verängstigt, eingesperrt in einer dieser Steintruhen.
    »Denn du bist bei mir«, wiederholte Harry. Er hatte sich nicht von der Stelle gerührt. »Ach, scheiß drauf«, knurrte er und stieg die Treppe hinunter.

72
     
    »Fahren Sie ja vorsichtig.« Steve beugte sich vor und sprach durchs Autofenster. »Es ist weit, und laut Wetterbericht soll es schweren Frost geben.«
    Das brauchte er ihr nicht zu sagen. Sie konnte sehen, wie Steves Atem in die Dunkelheit davonwirbelte. Raureif schimmerte bereits auf den Mauern, die die schmale Straße säumten. »Ich passe schon auf«, versprach Evi. »Und vielen Dank.«
    Steve, dem es anscheinend widerstrebte, sie fahren zu lassen, ging in die Hocke und legte beide Unterarme auf den Rand des Fensters. »Mir sind da noch ein paar Sachen durch den Kopf gegangen«, sagte er. »Diese Mädchen sind nicht ohne Grund gekidnappt worden. Wenn Kinder entführt werden, ist das offenkundige Motiv die Erfüllung eines sexuellen Bedürfnisses.«
    Evi musste sich auf die Lippe beißen. Joe war wieder da, schwebte wie ein kleiner Geist über der Einfahrt. »Ich kenne dieses Kind, Steve«, stieß sie hervor. »Er hat dunkelrotes Haar und Sommersprossen und –«
    »Hören Sie auf.«
    Evi blinzelte heftig.
    »Seine Mutter kann um seine roten Haare und seine Sommersprossen weinen. Sie müssen sich an die Tatsachen halten, wenn Sie für ihn von Nutzen sein wollen. Also, Megan und Hayley sind beide in den Kleidern gefunden worden, in denen sie zuletzt lebend gesehen wurden. Deutet das für Sie auf sexuellen Missbrauch hin?«
    »Das macht es weniger wahrscheinlich«, stimmte Evi zu. »Wenn also das Motiv des Mörders nicht sexueller Natur ist, dann suchen wir nach etwas anderem?«
    »Zweitens ist es wichtig, wo sie getötet worden sind. Es gibt einen Grund dafür, dass sie von der Kirchenempore geworfen worden sind.«
    »Da bin ich ganz Ihrer Meinung«, antwortete sie. »Und Harry auch. Er glaubt, es hängt alles mit der Kirche zusammen.«
    »Drittens gibt es eine Verbindung zwischen diesen Opfern, einschließlich Joe«, fuhr Steve fort. »Derjenige, der sie entführt hat, hatte zu jedem von ihnen eine Beziehung. Sonst hätte er oder sie sich

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