Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bluternte: Thriller

Bluternte: Thriller

Titel: Bluternte: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Bolton
Vom Netzwerk:
Kirche zu. »Was läuft hier eigentlich ab? Millie!«
    »Tommy!«, rief eine hohe, dünne Stimme, und Tom war mit einem Satz an Harrys Seite.
    »Okay, Leute, das reicht jetzt.« Harry achtete sehr darauf, nicht zu brüllen, doch es war schwer, seinen Zorn nicht zu zeigen. »Hier wird ein Kind vermisst, und demnächst wird die Polizei verständigt, wenn das nicht schon passiert ist. Kommt jetzt raus.«
    Sie warteten. In der Ferne bellte ein Hund. Sie konnten den Motor eines Autos anspringen hören. Dann drang plötzlich ein hohes Jammern durch die Nacht.
    »Das ist Millie!«, stieß Tom hervor. »Das ist sie wirklich. Sie ist irgendwo ganz in der Nähe. Millie! Wo bist du?«
    »Sie ist in der Kirche«, sagte Joe. »Die Tür ist offen.«
    Harry sah, dass Joe recht hatte. Die Tür der Kirche stand ein paar Zentimeter offen. Was um diese Zeit nicht hätte sein sollen. Er sprintete hinüber und spürte, dass die Jungen ihm dichtauf folgten. Dann schoss er durch die Tür und drückte im Vorbeihasten auf den Lichtschalter. Im Hauptschiff blieb er wie angewurzelt stehen. Über seinem Kopf wimmerte jemand.
    »O Gott, steh uns bei!«, entfuhr es Harry, als er hochschaute.
    Tom und Joe hoben die Köpfe, um zu sehen, was Harry entdeckt hatte. Hoch über ihnen auf dem hölzernen Geländer der Empore, das kleine Gesicht ganz verkrampft vor Angst, hockte Millie.

21
     
Lieber Steve,
ich hätte gern Ihren Rat. Als Hintergrundinformation füge ich dieser Mail zwei Zeitungsartikel an, allerdings erinnern Sie sich vielleicht an den Fall von Megan Connor. Soweit ich mich entsinnen kann, wurde sie nie gefunden.
Ich habe eine 26-jährige Patientin aus dem Ort, wo die Kleine verschwunden ist. Ihre Tochter ist drei Jahre danach ums Leben gekommen. Ich kann mich des Gedankens nicht erwehren, dass die anhaltende Trauer, die meine Patientin durchlebt, vielleicht von ihren Erinnerungen an diesen früheren Vorfall beeinflusst wird.
Ich glaube mich erinnern zu können, dass das ganze Land davon ziemlich traumatisiert war, und bestimmt war es in der Gegend, wo es passiert ist, noch schlimmer. Möglicherweise hat meine Patientin sich sogar an der Suche nach dem Kind beteiligt.
Meine Frage lautet folgendermaßen: Kann ich das in unseren Sitzungen zur Sprache bringen? Oder soll ich besser warten, dass sie von sich aus darauf zu sprechen kommt? Oberflächlich betrachtet scheint sie Fortschritte zu machen, aber da gibt es viel, was ich immer noch nicht verstehe. Irgendwie glaube ich, dass sie mir etwas verschweigt. Fällt Ihnen dazu irgendetwas ein?
Herzliche Grüße an Helen und die Kinder
    Evi
    Evi überprüfte die Rechtschreibung, fügte ein Komma ein und klickte auf »Senden«. Steve Channing war eine Art inoffizieller Supervisor, ein erfahrener Psychiater, von dem sie sich bei schwierigen Fällen oft Rat holte. Natürlich würde er an dem Datum und der Uhrzeit auf der E-Mail sehen, dass sie am Samstagabend arbeitete, aber … nun, sie konnte sich schließlich nicht vor jedem verstecken.

22
     
    »Wie ist sie denn da raufgekommen?«, wimmerte Tom. Er konnte den Blick nicht von seiner kleinen Schwester lösen, die sich sechs Meter über dem harten Steinboden der Kirche mühsam im Gleichgewicht hielt. Niemand antwortete ihm … warum sollten sie auch? … Es war eine blöde Frage.
    Das einzig Wichtige war, wie sie sie runterholen würden.
    »Bleib, wo du bist, Millie. Nicht bewegen!« Harry rannte zur Kirchentür zurück. Sie hörten seine Schritte auf der Treppe. Er würde rechtzeitig dort oben ankommen, er musste einfach rechtzeitig ankommen. Harrys Schritte hielten an, und sie hörten, wie die Tür zwischen Empore und Treppenschacht in ihrem Rahmen erbebte.
    »Das soll wohl ein Witz sein!«, ertönte Harrys Stimme dahinter. Dann dröhnten laute Schläge durch die Kirche. Harry trat gegen die Tür.
    »Sie haben die Tür abgeschlossen«, sagte Joe. »Er kommt nicht weiter.«
    Erschrocken über den Krach schaute Millie zu ihren Brüdern hinunter. Dann streckte sie beide Arme aus, und Tom wurde ganz kalt im Bauch. Sie würde zu ihm herabspringen, so wie zu Hause von der Sofalehne. Sie würde springen und darauf vertrauen, dass er sie auffing, wie er es immer tat. Aber das konnte er auf gar keinen Fall schaffen, nicht aus dieser Höhe; sie würde zu schnell fallen. Es gab nichts, absolut nichts, was sie tun konnten. Sie würde herunterfallen, und ihr Kopf würde wie Glas auf den Steinplatten zerschellen.
    »Nein, Millie, nein, nicht bewegen!« Beide

Weitere Kostenlose Bücher