Blutfehde
gemacht?«
»Diese großen Senkkästen hatten keinen Boden, obendrauf kamen Felsbrocken zum Beschweren, um sie zu versenken und unten zu halten. Das Revolutionäre an der Sache war, dass Roebling zum Versenken Kompressionsluft anwandte und die Caissons mit Beton auffüllte, um sie ein für alle Mal am Platz zu fixieren.« Teddy nahm einen Schluck Bier. »Dann ließ man die Männer in die Caissons hinab, damit sie das Fundament für die Brückenpfeiler ausheben konnten.«
»Ich verstehe nicht, wie sie das geschafft haben.«
»Teddy, Kumpel, Sie haben es mit einer Frau zu tun, die schon von einem Toaster überfordert ist«, sagte Mike. »Die einzigen Werkzeuge, mit denen sie umgehen kann, sind eine Eismaschine und eine rasiermesserscharfe Zunge, also erklären Sie es ihr schön langsam und mit einfachen Worten.«
Teddy drehte lächelnd seinen Stuhl um und legte seine verschränkten Arme vor sich auf die Rückenlehne. »Hören Sie, Alex, solange die Menschheit auf und unter der Erde gebaut hat, hatte es so etwas Großes wie diese Caissons noch nicht gegeben. Es waren riesige Kästen, die in die trügerischen Fluten des East River hinabgelassen wurden. Dazu brauchte es Männer - durch und durch furchtlose Männer, die in diese Stahlzylinder kletterten - Kompressionsschleusen nannte man sie, lange Rohre, die mit den Caissons verbunden waren. Sobald die Jungs unten waren, buddelten sie sich in das Flussbett, um die Fundamente zu bauen.«
»Aber was ist mit dem Wasser?«
»Ja, genau das ist der springende Punkt, nicht wahr? Die schon erwähnte Druckluft wurde von oben durch Rohrleitungen in die Caissons gepresst, um das Wasser zu verdrängen und zu verhindern, dass die Männer ertrinken. Diese Luft war brennend heiß, wie aus einem Hochofen. Es muss auf dem Trommelfell und in den Lungen gebrannt haben, als würde einem jemand glühende Nadeln hineinjagen.«
»Sie konnten sie weder sehen noch riechen oder anfassen«, sagte Mike. »Aber es war die Druckluft, der die Männer ihr Leben verdankten.«
»Oder sie tötete«, fügte Teddy hinzu. »Sie kennen doch sicher ein paar Geschichten aus Ihrer Verwandtschaft, von den Männern, die in den Caissons arbeiteten?«
Mike nickte.
»Die Männer erzählten, dass ihnen der Brustkorb ums Doppelte anschwoll, wenn sie überhaupt sprechen konnten, dann nur mit hohen Fistelstimmen, und sie hatten höllische Kopfschmerzen. Am schlimmsten war die Caisson-Krankheit, wie man sie damals nannte.«
»Die Dekompressionskrankheit«, sagte Mike.
»Sie ruiniert die Gelenke, man hat schreckliche Unterleibsschmerzen, hohes Fieber und Schweißausbrüche. Jede Schicht in diesen Kästen kam einem wie eine Ewigkeit vor, dabei konnte man sowieso nicht länger als drei, vier Stunden da drin aushalten.«
»Aber warum -«, begann ich.
»Weil man gerade mit dem Schiff angekommen war und nicht wusste, wie das Essen auf den Tisch kommen sollte«, sagte Mike. »Es war alles, was man tun konnte.«
»Wenn der Luftdruck nicht stark genug war oder die Männer fünfzehn Meter unter Wasser auf Felsgestein stießen, dann kam das Wasser wie ein Geysir aus dem Caisson geschossen und riss die Arbeiter mit sich fort. Sie ertranken oder wurden in den Schlamm gedrückt, der Druck brachte ihre Lungen zum Platzen - es gab viele Arten, wie ein Mann dort unten sterben konnte.« Teddy hielt inne. »Als man einige Jahre später mit dem Bau der Tunnel unter dem Hudson River begann, musste man Gestein und Erde schaufeln, aber das Schlimmste war der Sand unter dem Flussbett. Wie Treibsand, ständig in Bewegung - man konnte kaum bis fünf zählen, und schon steckte man bis zum Hals im Schlamm. So bekamen wir unseren Namen. Vor hundert Jahren hießen wir Sandhogs, und so heißen wir heute noch.«
Mike nahm seinen Blazer von der Stuhllehne und warf ihn sich, den Zeigefinger im Aufhänger, über die Schulter.
»Seit über einem Jahrhundert bauen die Sandhogs ein ganzes Reich unter der Erde von New York: U-Bahn- und Zuglinien, Versorgungs- und Autotunnel, Bahnhöfe. Alles, was es uns erst ermöglicht, hier zu leben. Ohne all das würde es diese Stadt überhaupt nicht geben. Aber wir machen uns nicht oft Gedanken über diese Stadt unter der Stadt, und die meisten von uns bekommen sie nie zu Gesicht. «
»Dafür gibt es einen Grund, Mike, einen guten Grund.« Teddy stand ebenfalls auf. »Diese Bestie unter uns ist eine Stadt des Todes.«
9
Artie Tramm plauderte mit mir, seit ich um halb elf Uhr vormittags den
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