Blutfehde
heute Nacht auch nur ein Auge zumachen. Mich bekommst du nicht von den Nachrichten weg. Was ist da draußen los?«
»Leider gibt es ein paar Leute, die diese ganze Terrorsache ernst nehmen. Der Idiot im Rathaus, der die Schnapsidee hatte, mit der Nachricht an die Öffentlichkeit zu gehen, hat uns das Leben nicht gerade leicht gemacht.«
»Ja«, sagte Mercer, »aber wenn man es nicht publik macht, würden Köpfe rollen, weil es tatsächlich Angriffsdrohungen gegen das Wasserversorgungssystem gegeben hat.«
»Heute Nacht kommt jedenfalls kein ängstlicher New Yorker, der sich in den Hamptons oder einer ruhigen Ecke in Connecticut verschanzen will, schnell vom Fleck. Der Verkehr in Richtung der Brücken ist jetzt schon schlimm genug, und die Polizei macht Stichproben an den Mautstellen und Tunneleingängen.«
Teddy O’Malley war bei seinem zweiten Stück Pizza.
»Du glaubst nicht an einen terroristischen Hintergrund?«, fragte ich.
Mike sah Mercer an. »Ich weiß nicht. Es passt nicht in das Muster, das wir erwarten würden, aber zum jetzigen Zeitpunkt will es niemand ausschließen. Al Qaida hätte sicher mehrere Explosionen an verschiedenen Stellen des Systems durchgeführt, entweder gleichzeitig oder in Abständen von ein, zwei Stunden. Außerdem hätten sie wohl eher die alten, original erhaltenen Tunnel angegriffen. Eine große Explosion dort hätte verheerende Folgen. Die ganze Stadt hätte mindestens ein Jahr lang kein Wasser.«
Teddy nahm einen kräftigen Schluck aus der Bierflasche, bevor er sprach. »Das war niemand von außerhalb. Unter uns gibt’s genug Stunk, um uns alle ins Jenseits zu pusten. Das möchte ich sehen, wie so ein Scheißkerl á la Bin Laden mit einem Turban auf dem Kopf an den Daugherty-Brüdern und den McCourts vorbeikommen will, wenn die Wache schieben.«
»Gesprochen wie ein echter >Sandhog<.« Mike nahm sich lachend sein zweites Stück Pizza.
»Ein was?«
»Teddy ist ein >Sandhog<, ein Tunnelbauer, Alex. Das ist so ähnlich wie Skull and Bones, nur für Iren. Eine Geheimgesellschaft, die ihre beste Arbeit vorwiegend unter der Erde leistet. Du hast noch nie einen getroffen, stimmt’s?«
»Nein.«
»Wir erzählen dir noch davon, aber eh ich’s vergesse, vielleicht kann Mercer an meiner Stelle morgen früh ins Krankenhaus fahren. Einer von uns muss Marley Dionne einheizen, damit er weiter auf unserer Seite bleibt.«
»Wird erledigt«, sagte Mercer und wandte sich wieder an Teddy O’Malley. »Was meinten Sie damit, als Sie sagten, dass es unter Ihnen genug Ärger gibt, um so was auszulösen?«
»Wissen Sie, wie wir arbeiten?« fragte Teddy und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund, während er zum dritten Pizzastück griff.
»Nicht genau.«
»Erst einmal lässt sich nie ein Unfall ausschließen, wenn man sich fast zweihundert Meter unter der Erde durch das Grundgestein sprengt.«
»Zweihundert Meter?«, fragte ich.
»Ja, Ma’am. Sechzig Stockwerke tief. Wir machen einen gefährlichen Job. Und dann sind da auch noch all die politischen Machenschaften drum herum. Einerseits die mächtige Gewerkschaftsorganisation und andererseits wie üblich der korrupte Beamtenapparat. Da wird massenhaft geschmiert, um jeden bei Laune zu halten. Es gibt auf beiden Seiten haufenweise unzufriedene Leute - Gewerkschaftler, Stadträte, Karrierepolitiker, Mafiosi, die bei der Gewerkschaft einen Fuß in die Tür kriegen wollen. So dreht sich das Rad immer weiter, und Bestechung ist schon längst an der Tagesordnung.«
»Ist das alles?«, fragte Mercer.
Teddy sah Mike an.
»Nichts, worüber er nicht Bescheid wüsste,Teddy. Glauben Sie, Mercer hätte bis zur Spitze aufsteigen können, ohne zu erfahren, was Rassismus ist?«
Mercer nickte. » Da erzählen Sie mir nichts Neues. Ich dachte, ihr Tunnelbauer seid eine verschworene Gemeinschaft - ein einig Volk von Brüdern.«
Teddy schnaubte und schien fertig gegessen zu haben. »Das sind wir auch. Meistens jedenfalls. Aber es gibt da zwei sehr unterschiedliche Völkchen, und in letzter Zeit geht es ziemlich übel zu.«
»Haben die irischstämmigen Amerikaner die Tunnelbaubranche nicht praktisch gepachtet?«
»Von Anfang an, Detective, seit über hundert Jahren. Wer hätte die Arbeit denn sonst machen wollen?«, fragte Teddy. »Ungebildete, ungelernte, dickschädelige Einwanderer. Sie haben gutes Geld mit der Buddelei verdient. Aber kurz darauf kamen die Westindier, aus dem gleichen Grund. Früher hießen sie Eisenmänner. Wir waren
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