Blutfehde
schnell herumgesprochen, aber aus der Art, wie Gertz mich mit schief gehaltenem Kopf ansah, konnte ich schließen, dass er sie nicht kannte.
»Fahren Sie fort, Ms Cooper.«
»Die Hälfte der Frauen wurden nach dieser Studie von ihrem Mann oder Freund ermordet. Fünfzig Prozent.«
»Ich glaube, der Richter weiß selbst, dass fünfzig Prozent der Hälfte entsprechen, Alexandra«, sagte Lern.
»Ich bin noch nicht fertig, Mr Howell«, sagte ich. »Das hat nichts mit Pseudopsychologie zu tun, Euer Ehren. Enloes Bericht basiert auf Autopsieberichten, Tatortfotos, toxikologischen und ballistischen Befunden. Er ist absolut faktenorientiert.«
»Warum ist das für den vorliegenden Fall relevant, Ms Cooper?«, fragte Gertz.
»Es gibt viele Informationen über häusliche Gewalt, vieles, was über das Wissen der Geschworenen oder auch, bei allem Respekt, des Gerichts hinausgeht.«
Lern ging jetzt hinter seinem Mandanten auf und ab, um den Richter von meiner Beweisführung abzulenken, und lachte gekünstelt in sich hinein. »Etwas, was über das Wissen des Gerichts hinausgeht? Ich habe dir vor langer Zeit beigebracht, dass man einen Richter nicht so respektlos behandeln sollte, Alexandra.«
»Erstens war der Anteil aller Gewaltverbrechen in New York innerhalb des Untersuchungszeitraums ständig im Sinken begriffen, außer bei den Verbrechen, die auf häusliche Gewalt zurückgehen.« Ich blickte auf meine Notizen, um die Resultate des Berichts aufzuzählen. So hatte der Anstieg der Streifeneinsätze zwar zu einem enormen Rückgang auf dem Gebiet der Straßenkriminalität einschließlich Crackdealen geführt, aber das, was sich hinter verschlossenen Türen im Intimleben der Leute abspielte, wurde dadurch nicht im Geringsten tangiert.
»Im vergangenen Jahr rückte die Polizei 247000-mal aus, um wegen häuslicher Gewalt einzuschreiten, das sind fast siebenhundert Notrufe pro Tag.«
»Aber Mrs Quillian hat nie die Polizei gerufen oder Anzeige erstattet. Weder im letzten Jahr noch in irgendeinem anderen Jahr. Euer Ehren, ich erhebe Einspruch dagegen, dass Ms Cooper diese nutzlosen kleinen Pseudofakten der Jury vorführt.«
»Dann werde ich über ein Thema sprechen, das Mr Howell in seinem Eröffnungsplädoyer und in seiner Vernehmung meiner ersten Zeugin an die große Glocke gehängt hat. Ein Thema, das er in diesen Fall eingebracht hat. Nämlich die Tatsache, dass Brendan Quillian keine Vorstrafen hat und vor seiner Verhaftung, soweit wir wissen, nie als gewalttätig aufgefallen ist. Nach Dr. Enloes Studie waren die Täter in dreißig Prozent der Tötungsdelikte vorher nie durch körperliche Gewalt auffällig geworden.«
Richter Gertz stützte den Kopf auf die linke Hand und begann sich mit der rechten Notizen zu machen.
»Frauen werden in der Tat auf andere Art und Weise ermordet als Männer«, fuhr ich fort. »Männer werden meistens erschossen oder erstochen. Sie werden auf der Straße, am Arbeitsplatz oder sonst wo in der Öffentlichkeit umgebracht, während Frauen in ihren eigenen vier Wänden angegriffen werden. Wird eine Frau von einem Partner umgebracht, dann geschieht das normalerweise über einen sehr persönlichen - sozusagen handgreiflichen - Weg und mit weitaus mehr Brutalität. Sie werden zu Tode geprügelt, sie werden verbrannt oder aus dem Fenster gestoßen.« Ich sah den Angeklagten an. »Die Mehrheit von ihnen wird erwürgt.«
Quillian nutzte die Abwesenheit der Geschworenen, um mich höhnisch anzugrinsen. Der Blick aus seinem gesunden Auge traf mich wie ein Messer.
»Darüber hinaus, Euer Ehren, geht aus Enloes Studie auch hervor, dass es zwei Zeitpunkte gibt, zu denen Frauen in intimen Beziehungen am meisten gefährdet sind. Diese Ergebnisse decken sich mit unseren landesweit verfügbaren Daten.«
»Lassen Sie hören«, sagte Gertz.
»In Amerika sind die meisten Todesfälle bei schwangeren Frauen auf Mord zurückzuführen, Euer Ehren, eine Tatsache, die im Allgemeinen nicht -«
Lern Howell trat vor und schlug mit der Hand auf den Richtertisch. »Das hat nichts mit diesem Fall zu tun, Euer Ehren. Absolut nichts, weder mit meinem Mandanten noch mit Amanda Quillian.«
Die Tür zur Gerichtszelle öffnete sich, und ein Gerichtspolizist winkte Artie Tramm zu sich nach draußen.
»Beruhigen Sie sich, Mr Howell. Ms Cooper, Sie wollen doch nicht andeuten, dass die Tote schwanger war, oder?«
»Nein, Sir. In keiner Weise. Was das angeht, ist der Autopsiebericht eindeutig.«
»Aber was Sie da sagen, ist
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