Blutfehde
Avenue, einer bunten Mischung von Reihenhäusern und direkt am Wasser gelegenen weißen Stuckhäusern, die mit ihren Verandageländern aussahen wie die Seiten kleiner Kreuzfahrtschiffe. Die salzige Meeresluft war eine willkommene Abwechslung zu dem Alkoholdunst in der dunklen Bar.
»Du scheinst dich hier gut auszukennen«, sagte ich.
»Fort Schuyler. Erbaut 1833 und benannt nach General Philip Schuyler. Du weißt wahrscheinlich gar nichts über unsere Befestigungsanlagen zum Meer hin«, sagte er.
»Schuldig im Sinne der Anklage.«
Mike legte immer einen Gang zu, wenn er sein militärgeschichtliches Wissen zur Schau stellen konnte. »Nach der französischen Revolution befürchteten die Gründungsväter, dass wir in die Kriege hineingezogen werden könnten, die in ganz Europa ausbrachen. Sie begannen, entlang der Küste Militärfestungen zu unserer Verteidigung zu bauen und nannten sie das Erste System. Das Zweite System wurde 1807 in Angriff genommen, als auch Großbritannien zur Bedrohung wurde.«
»Wenn man sich den Krieg von 1812 anschaut, scheint es nicht viel geholfen zu haben.«
»Gut mitgedacht, Coop. Wie du siehst, waren die ersten beiden Phasen nicht sehr erfolgreich. Also baute man später das hier, Fort Schuyler, sowie Fort Totten auf der anderen Seite des Sunds in Queens als Teil des Dritten Systems.« Er stieg aus, knallte die Autotür zu und zeigte mit dem Finger aufs Wasser hinaus. »Das Kanonenfeuer aus diesen beiden Festungen sollte die feindlichen Schiffe aufhalten, die sich New York City über den Sund nähern wollten.«
Das riesige Gebäude am gegenüberliegenden Ufer der Meerenge, ein beeindruckendes Gegenstück zu Fort Schuyler, hatte eine Granitbastei, die wie der Bug eines alten römischen Segelschiffes ins Wasser hinausragte. Ich holte Mike ein, wieder einmal fasziniert von einem mir bisher unbekannten Viertel und seinen Bewohnern, die das Strandleben auf den Gehsteigen und Veranden der kleinen Häuser entlang der Straße sichtlich genossen.
Mike führte mich durch den Eingang in den Innenhof des riesigen fünfeckigen Forts. Es war nur spärlich besucht, und einige der Besucher kamen die großen Steinstufen von dem breiten Wehrgang herab.
An den drei, zum Wasser hin gelegenen Seiten befanden sich in regelmäßigen Abständen Schießscharten in den dicken Mauern. »Siehst du die da? Dahinter waren zwei Geschützreihen aufgestellt. Die Soldaten konnten aus jedem Winkel schießen. Es ist eine ideale Lage, um die Stadt zu beschützen.«
Einige Kinder schossen von dem breiten Wehrgang auf imaginäre Piratenschiffe, und ganz vorne, allein auf einer Bank, saß ein Mann, auf den Phin Baylors Beschreibung passte: ein stoppelbärtiger Mann mit einer Bierflasche in der Hand und einem Holzstock neben seinem ausgestreckten Bein.
Er drehte sich um, als wir näher kamen. »Mr Baylor?«, sagte Mike und zückte seine blau-goldene Dienstmarke. »Mike Chapman, NYPD. Und das ist Alexandra Cooper, von der Bezirksstaatsanwaltschaft.«
»Hat meine Tochter eine Vermisstenanzeige aufgegeben?« Er lachte und sah wieder auf das Meer hinaus, wo kleine Segelboote das blaue Wasser durchschnitten und Motorboote unter der langen Brücke Wellen verursachten.
Mike trat vor Baylor und lehnte sich gegen die Mauer der alten Festung. »Ich glaube, sie rechnet zum Abendessen mit Ihnen. Darf ich Sie Phinneas nennen?«
»Phin. Phin genügt. Wen suchen Sie?«
»Wir sind noch immer am Informationensammeln. Ich ermittle in diesem Unfall…«
Bei dem Wort wurde Phin aufmerksam.
»… in dem Tunnel in Midtown. Im Wassertunnel Nummer drei. Wissen Sie, dass heute die Totenwache für Duke Quillian stattfindet?«
Phin prostete mit seiner Flasche der im Westen untergehenden Sonne zu. »Jedem das, was er verdient, wie man so schön sagt. Ich hab es gestern Abend im Fernsehen gesehen, und ich könnte nicht behaupten, dass es mir den Schlaf geraubt hat. Ich verzichte darauf, an seinem Sarg vorbeizudefilieren. Sie kenne ich auch aus dem Fernsehen. Sie sind die Frau, die seinen Bruder angeklagt hat, richtig?«
»Richtig.«
»Brendan Quillian. Wäre der Junge mal lieber nicht so eingebildet und arrogant geworden. Er war schon immer ein seltsamer Junge. Er wollte mit seiner Familie nichts zu tun haben. Mit keinem von uns. Jetzt kann Duke wohl nicht mehr für ihn kämpfen«, sagte Phin. »Brendan hat als Junge auf der Straße nur überlebt, weil er seinen großen Bruder hatte. Wenn er dort landet, wo Sie ihn hinschicken wollen,
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