Blutfeinde: Norwegen Krimi (German Edition)
worden.
»Nein!«
»Doch«, sagte Kobro.
»Ich gehe zum Betriebsrat. Das könnt ihr nicht einfach so machen!«
»In solchen Fällen hat Rindal die Entscheidungsbefugnis. Gunnarstranda wurde abgezogen und bis auf Weiteres deiner Abteilung zugeteilt.«
»Ich habe mich um diesen Job beworben, um von ihm wegzukommen!«
»Du kommst niemals von Gunnarstranda los, Frølich, und ich glaube, du weißt das, im Geheimen.«
Frank Frølich saß da und versuchte, sich zu beruhigen. Es flimmerte vor seinen Augen. Welhavens Aktivitäten waren nur wegen eines Telefonats von einem spannenden Stoff zu einem Haufen Dreck reduziert worden. Er war wütend. Er kochte. Warum zum Teufel taten sie ihm das an? Er sah auf die Uhr. Es war zehn Uhr vormittags. Er musste raus, an die Luft. Er ging hinaus.
Die Tür zu Frølichs Büro war geschlossen. Gunnarstranda öffnete sie, ohne anzuklopfen. Das Büro war leer. Er setzte sich an den Schreibtisch, die Hände im Schoß. Er saß eine Weile so da, drehte sich auf Frølichs Stuhl hin und her und nahm dessen neues Revier in Augenschein: Ordnung und System in den Regalen, Papiere in hübschen Stapeln auf dem Schreibtisch.
Zwei Bleistifte lagen parallel zueinander fein säuberlich platziert auf der Schreibunterlage. Er streckte die Hand aus und schnippte den einen auf den Boden. Der Bleistift rollte davon und verschwand unter einem Regal.
Gunnarstranda stand auf und sah sich die Ordner in Frølichs Regalen an. Er drehte sich zum Schreibtisch herum und betrachtete den Ordner genauer, der auf der Schreibunterlage lag. Auf dem Rücken stand ein Name gekritzelt: Arne Werner Welhaven . Er ging ihn langsam Blatt für Blatt durch. Frølichs Ordnungssinn war deutlich zu erkennen. Es gab eine Liste aller Unternehmungen Welhavens vor seinem Verschwinden, eine Liste mit elektronischen Spuren, eine Liste über seine Nutzung von Kreditkarten und Handy, eine Liste von Leuten, die noch Dinge mit Welhaven zu klären hatten, eine Liste über persönliche Konflikte. Jeder Punkt auf den Listen war mit einem eigenen Zahlencode versehen. Weiter hinten im Ordner wurde jeder Zahlencode dokumentiert und erläutert. Gunnarstranda studierte die Listen. Er überprüfte Daten und Zeitpunkte. Widerwillig musste er zugeben, dass Frølichs System eigentlich eine schlaue Erfindung war. An Frank Frølich war ein exzellenter Archivar verloren gegangen.
Das Telefon auf dem Schreibtisch klingelte. Er sah es an, legte den Ordner weg, stand auf und nahm ab. »Büro für Vermisstenmeldungen.«
Gunnarstranda saß im Wagen und fuhr auf der E6 über die Minnesundbrücke, als Frølich anrief.
»Wo zum Teufel bist du?«
»Vermisst du mich?«
»Wenn wir beide in meiner Abteilung zusammen arbeiten sollen, dann müssen dir ein paar Dinge klar sein –«
»Bevor du loslegst –«
»Jetzt bist du dran mit Zuhören. Ich leite diese Abteilung, ich entscheide und setze Prioritäten –«
»Natürlich, Frølich.«
»Wo bist du?«
»Im Auto, auf einer Brücke über dem Mjøsa.«
»Wo willst du hin?«
»Zum Ringebufjell.«
»Und warum?«
»Das Sommerhaus von diesem Anwalt liegt da. Die Polizei in Lillehammer hat angerufen und einen Volvo mit Osloer Kennzeichen gemeldet, der schon seit mehreren Tagen auf einem Parkplatz am Riksvei 27 steht. Der Wagen gehört einem gewissen Arne Werner Welhaven, dem Mann, den du suchst. Ich bin den Ordner durchgegangen, den du über Welhaven angelegt hast, und da steht, dass er ein Sommerhaus auf dem Ringebufjell hat, direkt am Riksvei 27. Es ist dein –«
»Das hier ist mein Fall, hier bestimme ich ! Du kannst nicht automatisch auf eigene Faust irgendetwas –«
»Ich werde dich auf dem Laufenden halten«, sagte Gunnarstranda und unterbrach die Verbindung.
Frank Frølich war so wütend, dass er aufstehen musste, um nicht seinen Schreibtisch zu zerschlagen. Er hatte das Bedürfnis, irgendetwas zu zerstören, etwas kaputt zu treten. Als das Telefon wieder klingelte, drehte er sich abrupt herum, riss den Hörer ans Ohr und brüllte: »Was ist denn nun noch?«
Es war ganz still.
»Wer ist da?«
»Fride Welhaven. Ich wollte nur sagen, dass es mir leidtut wegen gestern Nacht«, sagte sie. »Es ist mir peinlich, und ich kann mich nur an sehr wenig erinnern.«
Er wusste nicht, was er sagen sollte.
»Mehr wollte ich gar nicht.«
Frank Frølich lehnte sich zurück. »Aber wir können ja jetzt reden. Ich wollte Sie noch mal wegen dieser Drohungen sprechen. Letztes Mal habe ich gefragt, ob Ihr Vater
Weitere Kostenlose Bücher