Blutfeinde: Norwegen Krimi (German Edition)
seines Sohnes las, war der Junge schon seit Wochen tot.«
Sie sahen sich an.
»Unmöglich, Lügen mit Lügen zu begegnen«, sagte Gunnarstranda.
»Was?«
»Welhaven war schachmatt. Unmöglich, zu lügen. Unmöglich, den Schaden wiedergutzumachen – oder seine Version des Geschehenen zu vermitteln. Der Sohn war tot, als der Vater den Brief bekam. Das muss zu viel für Welhaven gewesen sein. Schließlich war er ja schon seit Monaten depressiv. Am selben Abend verschwindet er und macht es wie Ibsens Rosmer.«
Rindal runzelte fragend die Stirn.
»Stürzt sich den Wasserfall hinunter.«
Rindal saß nachdenklich da. »Schön und gut«, sagte er schließlich, »aber der Fall Welhaven liegt auf Eis.«
»Ich meine, das ist zu früh.«
Rindal dachte immer noch nach.
Gunnarstranda ergriff die Chance: »Es ist sicher, dass Ivar Killi Welhaven beobachtet und einiges herausgefunden hat. Zum Beispiel, dass der Anwalt krumme Geschäfte laufen hatte. Ich habe mir mal die Mühe gemacht, Welhavens Vorstrafenregister zu sichten. Offiziell hat er nur einen einzigen Fleck auf der Weste. Eine Anzeige von der Freien Gerichtshilfe . Die hatten einen Tipp bekommen, nämlich dass er sowohl von ihnen Geld bekommen hatte als auch von Klienten – für den gleichen Fall. Ich habe mit ihnen telefoniert. Der Tipp kam anonym, und die Sache wurde als so ernst eingestuft, dass sie gezwungen waren, ihn daraufhin anzuzeigen. Ich glaube, Killi hat ihnen den Tipp gegeben, und ich glaube, er hätte sie auch mit Beweisen versorgt.«
Rindals Gesichtszüge verhärteten sich. »Du sprichst über einen toten Polizisten. Kannst du das alles belegen?«
»Ich weiß, dass jemand Welhaven erpresst hat, und es gibt nicht viele Kandidaten, die dafür in Frage kommen.«
»Gunnarstranda, wenn das hier ein Teil deiner persönlichen Abrechnung mit Killi ist, dann –«
»Killi hat der Freien Gerichtshilfe den Tipp gegeben, um Welhaven zu zeigen, dass er es ernst meinte und bereit war, noch mehr belastende Informationen auf den Tisch zu legen. Das hat dazu geführt, dass Welhaven Aktien verkauft hat. Er hat sogar den Safe in einer Kneipe aufgebrochen, um genügend Geld zusammenzukriegen. Kurz bevor er starb, hat er mehrere Millionen Kronen auf ein Konto auf den Bermudas überwiesen.«
Rindals Blick war noch immer streng. »Warum willst du einen toten Bullen in eine Verschwörung um Geld und Steuerparadiese verwickeln? Was du da ausgegraben hast, sind ganz normale dreckige Geschäfte von korrupten Anwälten – Welhaven hat das Geld bestimmt auf ein eigenes Konto überwiesen.«
»Es war nicht sein Konto.«
»Woher weißt du das?«
»Ich habe es mit Leuten durchgecheckt, die was davon verstehen. Alle sagen, dass es idiotisch gewesen wäre, wenn Welhaven sich selbst Geld überwiesen hätte. Die Rechnung geht nur dann auf, wenn das Konto jemand anderem gehört, der Welhaven erpresst hat. Höchstwahrscheinlich wusste Welhaven gar nicht, wer der Erpresser war.«
»Wenn jemand es geschafft hat, diesen Anwalt zu erpressen, dann muss er etwas sehr Schwerwiegendes getan haben. Doppelte Buchführung mit der Freien Gerichtshilfe – das ist eine Bagatelle.«
»Killi hat garantiert einen Trumpf auf der Hand gehabt«, sagte Gunnarstranda.
»Was hat er herausgefunden?«
»Das weiß ich nicht – noch nicht.«
Rindal sah Gunnarstranda lange an. Schließlich holte er tief Luft und atmete langsam aus.
»Das weißt du noch nicht.« Er holte noch einmal gefährlich tief Luft und fragte dann mit gedämpfter Stimme: »Korrigiere mich, wenn ich etwas missverstanden habe. Aber du kannst nicht beweisen, dass das Konto auf den Bermudas Killi gehört?«
»Die Bank gibt die Information nur bei Verdacht auf terroristische Aktionen preis. Niemand wird herausbekommen, wem das Konto auf den Bermudas gehört, wenn wir nicht Beweise beim Inhaber finden. Ich bin sicher, es gibt irgendwo in Killis Hinterlassenschaft Beweise dafür, dass ihm dieses Konto auf den Bermudas gehört.«
»Das sind deine Phantasien.« Rindal streckte einen Arm aus und betrachtete seine Armbanduhr, um zu signalisieren, wie bereit er war, das Gespräch zu beenden. »Wir sitzen hier und vergeuden unsere Zeit.«
Gunnarstranda sagte: »Es ist natürlich möglich, dass Ivar Killi Welhaven aus ganz unschuldigen Gründen beschattet hat. Aber diese Informationen haben sich während meiner völlig legitimen Untersuchungen ergeben, und ich muss alles in meine Berichte einbeziehen. Kannst du, als Leiter der
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