Blutfeuer
das
Silber der Zwerge, über uns glänzen.«
Selbst Herbert Müller hatte
Derartiges in den Bamberger Katakomben noch nicht gesehen. »Solch große Räume
dürfte es hier eigentlich gar nicht geben. Da hat jemand mit ziemlich viel
Aufwand nachgeholfen«, meinte er.
Einzig Riemenschneider
zeigte sich von dem herrlichen Schauspiel gänzlich unbeeindruckt. Sie wollte
weiter ihre frische Spur verfolgen, doch plötzlich blieb auch sie stehen und
schnupperte verwirrt in einen Seitenstollen, der rechtwinklig von links auf die
Kammer traf. Sie schnüffelte erneut, ging in Habtachtstellung und knurrte. Alle
drehten sich um und betrachteten sie erstaunt.
»Lampen aus!«, flüsterte
Haderlein, der als Erster begriff. Als das Licht erlosch, war die unterirdische
Kathedrale wieder in den fahlen blauen Schein der Bodenlampen getaucht, die lange Schatten an die Decke warfen. Haderlein zog Riemenschneider an sich heran
und hielt ihr mit der Hand die Schnauze zu. Angespannt horchten sie in den
Stollen hinein, und tatsächlich: Es war ein leises Schlurfen zu hören, das langsam näherkam.
Gimli folgte dem Gang ohne
einen Plan und ohne Nachdenken. Sein Gefühl und sein Geruchssinn waren seine
Orientierung. Er war den Weg vor längerer Zeit einmal gegangen, allerdings
nicht im Dunkeln. Er hatte gewusst, dass das enge Loch kommen würde, in der
Hektik aber nicht die richtigen Worte gefunden, um es anzukündigen. Jetzt war
er allein für Theresa verantwortlich. Der Umstand machte ihn irgendwie stolz,
trotzdem hatte er auch Angst. Was, wenn er versagen würde? Was, wenn Theresa
etwas passierte? Sein Gehirn weigerte sich, die Gedanken weiterzuspinnen und
die Folgen zu überdenken. Theresa hatte nichts zu passieren, dafür würde er
schon sorgen.
»Wie lange ist es denn noch,
Gimli?«, fragte das Mädchen nun schon zum wiederholten Mal, doch den Zwerg
schien die Fragerei nicht zu stören.
Mit stoischer Ruhe
antwortete er. »Bald. Bald da«, kam es monoton über seine Lippen. Er wusste,
dass sie nach ein paar Momenten wieder fragen würde, aber das machte ihm nichts
aus. Solange sie fragte, wusste er wenigstens, dass sie noch da war. Solange
sie fragte, war Theresa am Leben.
Sie kamen an den
Eisentürraum. Wofür er ursprünglich einmal gedient hatte, wusste Gimli nicht.
Er hatte ihn so getauft, weil es zwei Eisentüren gab, die den Raum
verschlossen. Zur einen Tür ging man hinein, durch die Tür gegenüber verließ
man ihn wieder. Gimli durchquerte ihn mit Theresa im Schlepptau und näherte
sich der letzten Kurve. An ihrem Ende begann sich die Dunkelheit aufzulösen und
in ein blaues Licht zu verwandeln. Der Zwerg runzelte die Stirn. Warum war die
Notbeleuchtung in Betrieb? Misstrauisch verlangsamte er seinen Schritt und
verfiel in sein eigentümliches Schlurfen. Wieder legte er seinen Finger auf die
dicken Lippen, und Theresa nickte, um zu zeigen, dass sie verstanden hatte.
Dann gingen sie leise an der Wand entlang auf die Kathedrale zu. Von dort aus
war es nicht mehr weit zum Ausgang SG ,
St. Getreu. Plötzlich erstarrte Gimli, und Theresa lief von hinten auf ihn auf.
Der Zwerg blähte die
Nasenflügel. Theresa vernahm das leise Pfeifen, das immer zu hören war, wenn
Gimli die Luft einsog. Irgendetwas stimmte nicht. Er roch etwas. Etwas, das
hier unten nicht hingehörte. Er stellte seinen Rucksack ab und drückte Theresa
daneben auf den Boden.
»Theresa warten«, flüsterte
er leise und löste das Seil, das sie so lange miteinander verbunden hatte.
Während er es zurück in den Rucksack stopfte, musterte er die Umgebung. Es war
nichts Verdächtiges zu bemerken. Langsam schlich er auf das blaue Licht der
Notbeleuchtung zu und sog in einem fort die Luft ein. Da war er wieder, dieser
fremde Geruch. Jetzt konnte er sich auch erinnern, woher er ihn kannte. Als er
noch ein Kind gewesen war, hatte er ihn auf einem Bauernhof wahrgenommen. Kein
besonders angenehmes Erlebnis für eine feine Nase wie seine, aber immerhin
konnte er sich erinnern. Von der Kathedrale her roch es nach Schwein. Er war
verwirrt, wusste nicht recht, was er mit dieser Erkenntnis anfangen sollte. Ein
Schwein war nicht direkt gefährlich, aber wie sollte sich so ein Tier nach hier
unten verirrt haben?
Noch bevor er weiter darüber
nachdenken konnte, flammte das Licht einer sehr hellen Taschenlampe auf, und
eine Männerstimme rief: »Stehen bleiben, Polizei. Hände hoch!«
Gerlinde Rosenbauer hatte
sich durch die Trümmer der unbekannten unterirdischen Katakomben
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