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Blutflucht - Evolution

Blutflucht - Evolution

Titel: Blutflucht - Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Loreen Ravenscroft
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nachfühlen, sich erneut auf einen Menschen einzulassen und abermals großes Leid zu erfahren.
    Ich hatte jetzt schon unglaublich große Angst, ihn zu verlieren.
    Ich räusperte mich. »Sag mal«, fragte ich vorsichtig, »wie viele Beziehungen hattest du eigentlich schon?«
    »Ein paar«, antwortete er.
    Ein paar … Ich schluckte. Das hörte wohl keine Frau gerne.
    Jack lächelte. »Es war nie was Ernstes. Meistens hielt es nicht lang.«
    Das war auch nicht gerade aufbauend.
    Ich hätte ihn nach dem Warum fragen können, doch die Antwort kannte ich längst. Es war, wie ich mir gedacht hatte: Er hatte Angst vor Verlust, Angst, verletzt zu werden.
    Wie lange würde unsere Beziehung dauern? Wir waren beide auf der Flucht und immer zusammen. Was, wenn sich dieser Zustand eines Tages änderte?
    Auch wenn ich es schrecklich fand, auf der Flucht zu sein, wollte ich nicht daran denken, was sein würde, wenn wir in Sicherheit wären.
    Nachdem wir uns kurz ausgeruht hatten, machten wir uns weiter an den Aufstieg. Eigentlich hätte mich die herrliche Natur ablenken müssen, aber mich beschäftigte zu viel. Meine Gedanken kreisten nicht nur um Jack, sondern auch um die Aufzeichnungen meines Vaters und vor allem um mich. Etwas stimmte mit meinem Körper nicht. Ich hatte meine Periode nicht bekommen – was anhand der Stresssituation nichts Ungewöhnliches war –, doch ich hatte ständig leichte Unterleibskrämpfe.
    Ich warf einen Blick auf Jack, der vor mir marschierte und sich immer wieder umdrehte, ob ich mit ihm schritthalten konnte.
    Ich hatte da ein Gefühl, nein – eigentlich schon eine Gewissheit: Ich war schwanger.
    Aber das konnte unmöglich sein! Ich hatte ein Implantat in meiner Gebärmutter, das eine Schwangerschaft zu hundert Prozent verhinderte.
    Als ich meinen ersten Freund hatte, vertraute ich mich Sam an. Er hatte mir einen Arzt empfohlen, dem es egal war, ob er Mutanten oder Menschen behandelte. Wahrscheinlich gehörte er zu MALVE. Dieser Doktor hatte mir damals das Implantat eingesetzt und ich war seitdem regelmäßig zu den Untersuchungen erschienen. Ich war soweit eine ganz normale Frau. Na ja, fast normal. Doch Jack … wenn ich ihn mir so ansah, spürte ich allein schon die Kraft, die seine Gene aussandten. Ob es möglich war, dass ich ein Kind bekam?
    Ich könnte Ron anrufen und ihn bitten, einen Schwangerschaftstest einzupacken, wenn er das nächste Mal Xara mit einer Lieferung schickte. Wenn Jack das mitbekam, wäre sicher die Hölle los. Ich kannte ja seine Einstellung zu Kindern. Wenn ich ihn jetzt noch damit belastete … Nein, er durfte es nicht erfahren. Vielleicht gab es eine Möglichkeit, dass wir beide mit dem Taifun in die nächste Stadt fahren konnten. Wir konnten doch nicht für den Rest unseres Lebens auf dem Berg bleiben, auch wenn das noch so verlockend war. Ein wenig Zivilisation ging mir ab.
    Als ich plötzlich in Jack hineinlief, fing er mich lächelnd auf. »Hey, was ist denn los mit dir?«, fragte er. »Du bist schon die ganze Zeit mit den Gedanken woanders, anstatt diese gigantische Aussicht zu genießen.«
    Ich drehte den Kopf und bemerkte erst jetzt, dass der Weg schon eine Weile dicht an einem Abgrund entlangführte. Erschrocken machte ich einen Schritt zurück und hielt mich an Jacks Hand fest.
    Ja, der Ausblick war wirklich gigantisch. Die Luft war so klar, dass wir viele Meilen weit sahen. Den Berg umgab nichts als Wald, eine scheinbar endlos grüne Fläche. Doch der Anblick täuschte. Wir befanden uns in einem Nationalpark, in einem der letzten großen Wälder des Staates. Am Horizont war deutlich einer jener grauen Schleier zu erkennen, der über den Städten hing. Nicht, weil es keine umweltfreundlichen Möglichkeiten gab, Strom zu erzeugen, sondern weil es Menschen gab, die sich Elektrizität nicht leisten konnten. Sie hausten in Hütten, halbverfallenen Gebäuden oder Kellern und verbrannten Müll, um sich warmzuhalten, ihr gestohlenes Essen zuzubereiten oder streunende Tiere abzuschrecken.
    Erneut wurde mir bewusst, wie anders Greytown war. Die Armut war zwar dort nur minimal geringer, denn wer konnte, arbeitete am Hafen. Doch es gab eine karitative Einrichtung, die den Obdachlosen Unterschlupf bot. Das war in kaum einer Stadt selbstverständlich, denn meistens waren es Mutanten, die keine Arbeit bekamen und in den sozialen Abgrund rutschten. Ob diese Einrichtung auch MALVEs Verdienst war?
    Jack zog mich zu sich. Im Gegensatz zu mir schwitzte er kaum. »Du träumst

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