Blutflucht - Evolution
konnten, schlich sich doch eine gewisse Langeweile ein. Die Hütte war hergerichtet, die Batterie ausgetauscht, die Toilettenspülung repariert. Es gab nicht wirklich etwas zu tun.
Außerdem überschatteten die grausamen Entdeckungen in dem Tagebuch unsere Stimmung. Unentwegt grübelte ich, wie man Lago-Pharm das Handwerk legen könnte. An die Öffentlichkeit zu gehen würde nicht viel nützen, wenn die Regierung selbst hinter alldem steckte. Es würde wie immer alles vertuscht werden.
Bald – ja bald wären die Techniker so weit, über die Satelliten alle Haushalte zu erreichen. Wir könnten dem Volk so viel erzählen!
Aber wollte ich so lange warten? Was konnten wir jetzt schon tun? Man müsste das Übel an der Wurzel packen. Aber wie bis zum Kern vordringen?
»Wenn man nur an die Daten käme«, murmelte ich. Auf dem Zentralrechner gab es Akten und Videos über die »Forschungen«. Wenn man diese Aufzeichnungen der Bevölkerung zuspielte, befürchtete Ron jedoch, die Gesellschaft könne sich weiter spalten. Es gab bereits genug Hetze gegen unsereins.
»MUTAHELP würde ein hohes Kopfgeld auf jeden Mutanten aussetzen, so viel wäre sicher«, sagte Ron am MP zu mir. »Stell dir nur mal vor, wohin das führen würde.«
»Aber die Menschen würden endlich aufwachen!«
»Ja, du hast recht. Wir dürfen uns nicht länger einschüchtern lassen und uns verkriechen.« Ron seufzte. »Es dauert nicht mehr lang.«
Nur MALVE konnte die Scheinfirma zerschlagen. Wir mussten weiterhin verdeckt arbeiten, wenn wir Schlimmeres verhindern wollten, bis wir endlich bereit waren.
Wir – das hörte sich an, als wäre ich schon lange Teil der Untergrundbewegung. Ich wünschte, ich hätte schon früher mit ihnen zusammenarbeiten können.
Jack und ich beschlossen, eine Bergtour zu machen, um unsere Köpfe freizubekommen. Daher sprühte ich mich mit reichlich Lichtschutz ein, setzte meinen Sonnenhut auf und packte auch Dads Tagebuch in den Rucksack. Ich wollte es immer bei mir haben.
Sehr bergtauglich schaute mein Outfit allerdings nicht aus – ich trug einen ziemlich kurzen Rock, da der heutige Tag unwahrscheinlich heiß war. Das Wichtigste war jedoch das Schuhwerk. Gut, dass mich außer Jack niemand sehen konnte.
Als wir am Vormittag aus der Hütte traten, hockte Chipsy wie immer auf dem Geländer der Veranda, als ob das Eichhörnchen uns schon erwartet hätte. Es war in den letzten Tagen zutraulicher geworden und ließ sich bereits füttern. Ich hielt ihm einen Keks hin, den Chipsy mir sofort aus den Fingern riss und damit unter die Veranda hüpfte. Dabei schaute es sich ständig um, wohl aus Furcht, sein »Rivale« könnte in der Nähe lauern.
»Dein Crispy ist ganz schön gierig, Kate«, sagte Jack, die Hände in den Taschen seiner Jeans, und spähte durch die Stufen unter die Hütte, wo ich das Eichhörnchen knabbern hörte.
Ich lächelte. »Er heißt Chipsy und ich Torri, Vergissmeinnicht.«
Jack verdrehte grinsend die Augen. »Lass uns gehen, solange das Wetter hält.«
Ich schaute in den wolkenlosen Himmel. Um das Wetter machte ich mir die wenigsten Sorgen. Seit unserer Ankunft hatte es erst einmal geregnet. Wir marschierten also los und Chipsy hüpfte eine Weile hinter uns her, bis er anscheinend etwas entdeckte, das ihn mehr interessierte. Irgendwann waren Jack und ich allein unterwegs und genossen das Rascheln der Blätter im Wind und die frische Luft.
Nach einer Stunde Aufstieg beschlossen wir eine Pause zu machen und unser zweites Frühstück einzunehmen. Jack breitete eine Decke aus, während ich das Essen aus dem Rucksack holte. Wir hatten es uns unter einem schattigen Felsvorsprung gemütlich gemacht und befanden uns in der Zone, wo der Baumwuchs allmählich abnahm. Auf dem kargen Boden in dieser Höhe wuchsen fast nur Büsche und verkrüppelte Kiefern.
Hier oben war es weniger warm als in dem kleinen Tal, wo die Hütte recht geschützt zwischen den Berghängen stand. Eine kühle Brise wehte mir das Haar aus dem Gesicht und ich legte den Sonnenhut zur Seite. Ich war leicht verschwitzt. Am liebsten hätte ich jetzt mit Jack nackt im See gebadet, wie wir es jeden Tag bisher gemacht hatten.
Bei dieser Erinnerung huschte ein Lächeln über mein Gesicht. Gestern hatte mich Jack am Ufer des Sees unter einem schattenspendenden Baum geliebt. Niemals hatte ich mich freier gefühlt.
Der Wind strich um meine nackten Beine und fuhr unter meinen kurzen Rock. Ob ich es wagen sollte, mein Höschen auszuziehen?
»Woran
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