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Blutflüstern: Novelle (German Edition)

Blutflüstern: Novelle (German Edition)

Titel: Blutflüstern: Novelle (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Harrison
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einen Blick zu, und ich platzte heraus: »1999. Es ist Sonnenwende.«
    Die wachen Augen des Mannes schossen zu den Gebäuden, die jetzt eher eine Skyline bildeten, nachdem wir nicht mehr zwischen ihnen standen. Er hatte wunderschöne blaue Augen und unglaublich lange Wimpern, für die ich eine BH-Größe eingetauscht hätte. Wenn ich überhaupt eine BH-Größe gehabt hätte.
    »Wir sind in Cincinnati?«, fragte er leise, während sein Blick von einem Gebäude zum nächsten sprang.
    »Ja«, sagte ich, dann entzog ich Robbie meine Hand, als er sie drückte, um mich zum Schweigen zu bringen. »Was?«, zischte ich ihn an. »Findest du, ich sollte lügen? Er will doch nur wissen, wo er ist.«
    Der Mann hustete und verhinderte damit eine Antwort meines Bruders. »Es tut mir gegenwärtig außerordentlich leid«, sagte er und nahm eine Hand von der Stange. »Ich muss nur atmen, um zu sprechen, und einen Körper dazu zu bringen, dies zu akzeptieren, ist eine mächtige Herausforderung.«
    Überrascht wartete ich einfach ab, während er einmal tief durchatmete.
    »Ich bin Pierce«, sagte er schließlich, und sein Akzent
wurde deutlicher, irgendwie formeller. »Ich bezweifle nicht, dass Ihr nicht mein endgültiges Urteil darstellt, sondern fürwahr …« Er warf einen Blick auf den Fahrer, bevor er fast unhörbar flüsterte: »Ihr seid Ausübende der Mächte. Eine Meisterhexe, Sir.«
    Der Mann atmete nicht. Ich beobachtete ihn wirklich genau, und er atmete nicht. »Robbie«, sagte ich drängend und zog an seinem Ärmel. »Er ist tot. Er ist ein Geist.«
    Mein Bruder lachte nervös und überschlug die Beine, um seine Körperwärme zu speichern. Wir saßen direkt über der Heizung, aber es war trotzdem kalt. »Das wolltest du doch erreichen, oder, Glühwürmchen?«
    »Ja, aber er ist so real!«, antwortete ich leise. »Ich habe nicht mehr erwartet als ein Flüstern oder ein Gefühl. Keinen nackten Mann im Schnee. Und ganz sicher nicht ihn!«
    Pierce wurde rot. Er suchte meinen Blick, und ich schluckte meine nächsten Worte hinunter, weil mich die tiefe Verwirrung in seinen Augen so überraschte. Wir wurden nach vorne geschoben, als der Fahrer bremste, um jemanden mitzunehmen, und der Mann fiel fast vom Sitz. Er musste mit beiden Händen die Stange umklammern, um sich festzuhalten.
    »Ihr habt mich aus dem Fegefeuer gezogen«, sagte er verwirrt, während er beobachtete, wie Leute einstiegen und sich Plätze suchten. Seine Miene wurde panisch und er schluckte schwer, während er das Gefühl niederkämpfte. »Ich vermutete, ich sollte in die Hölle fahren. Ich ging davon aus, dass meine Buße ausgesetzt worden sei und ich in die Hölle fuhr. Ich gestehe ein, dass es auf den ersten Blick aussah wie die Hölle, auch wenn es nicht zerbrochen war und nicht nach verbranntem Bernstein roch.«
Er sah aus dem Fenster. »Keine Pferde«, sagte er leise, dann zog er neugierig die Augenbrauen hoch. »Und der Kanal ist zugemauert, dreckige Jauchegrube, die er war. Werden die Maschinen dann von Dampf getrieben?«
    Neben mir grinste Robbie: »Er benutzt wirklich eine Menge Worte, um etwas zu sagen.«
    »Halt den Mund«, murmelte ich. Ich fand seine Sprechweise elegant.
    »Dies ist nicht die Hölle«, sagte Pierce und ließ dann den Kopf sinken als sei er vollkommen erschöpft. Ich starrte auf seine schwarzen Locken und seine Erleichterung sorgte dafür, dass sich mein Magen verkrampfte.
    Ich wandte unangenehm berührt den Blick ab, während ich über meinen Deal mit Robbie nachdachte. Ich wusste nicht, ob er das hier als Erfolg werten würde oder nicht. Zwar hatte ich einen Geist gerufen, aber es war nicht Dad. Und ohne Dad, der Ja zur I. S. sagte, würde Robbie es wahrscheinlich als Nein deuten. Besorgt schaute ich zu Robbie und sagte: »Ich habe den Zauber richtig gemacht.«
    Mein Bruder rutschte auf seinem Sitz hin und her als wollte er sich auf einen Streit vorbereiten. Ich zog die Augenbrauen zusammen und starrte ihn böse an. »Mir ist egal, ob ich den falschen Geist beschworen habe, den verdammten Zauber habe ich richtig gewirkt!«
    Pierce wirkte vollkommen entsetzt, während er zwischen uns und den neuen Fahrgästen hin und her sah, die gerade einstiegen und sich hinsetzten. Wahrscheinlich lag es nicht an meiner Lautstärke, sondern an meinen Worten. Öffentlich als Hexe aufzutreten war vor 1966 etwas gewesen, wofür man umgebracht werden konnte, und er war offensichtlich vor dieser Zeit gestorben.
    Genervt runzelte Robbie die Stirn. »Der

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