Blutflüstern: Novelle (German Edition)
nehme an, wir sollten gehen«, sagte der kleine Mann, und sein Blick schoss zum Haupteingang des Gebäudes zwei Stockwerke unter uns.
Ich rieb mir die Finger, um die Reste des Kribbelns loszuwerden. »Was ist los?«
Pierce schob sich an die Stuhlkante und hielt seinen Mantel geschlossen. »Meiner Erfahrung nach ist der Instinkt, nicht das, was man gelehrt wurde, der klarste Wegweiser. Sie haben sich in den Kopf gesetzt, dass Euer Bruder in die Entführung des Mädchens verwickelt ist und sich nun bemüht, Gnade zu finden, indem er kooperiert. Wir müssen Fersengeld geben.«
»Warte«, sagte ich, als er aufstand und mich ebenfalls auf die Beine zog. »Was ist mit Robbie?«
In diesem Moment sah mein Bruder mich an, als hätte er mich gehört. Sein Gesicht war bleich. Hinter ihm kamen beide Beamte in seine Richtung. Offensichtlich verängstigt formte er mit den Lippen: »Lauf!«
»Eurem Bruder wird kein Unheil geschehen«, sagte Pierce, und ich setzte mich in Bewegung, als er meinen
Ellbogen packte und uns auf die breite Treppe zuführte. »Sie werden ihn mächtig peinigen, bis sie von seiner Unschuld überzeugt sind, aber bis dahin wird die Sonne aufgegangen sein. Schuld und Tadel, ich hätte fähig sein müssen, dies Desaster allein anzugehen.«
Ich hatte keine Ahnung, was er mir sagen wollte, aber dank Pierce waren wir schon auf der Treppe, bevor der erste Schrei erklang. Ich riss den Kopf herum und stolperte. Zwei Schlägertypen waren uns auf den Fersen, und mit einem kleinen Keuchen schubste ich Pierce vorwärts. Ein Klingeln ertönte, und meine Haut kribbelte. »Schließen!« , schrie jemand.
»Verdammnis«, fluchte Pierce, aber unsere Füße waren noch in Bewegung, und wir hatten den ersten Stock ohne Probleme hinter uns gelassen. Mein Puls hämmerte zu schnell und meine Lungen taten weh, aber ich wurde nicht langsamer. Wir würden nicht meinetwegen gefangen werden. Abgesehen von den zwei Kerlen, die uns folgten, und der uniformierten Frau, die mit verschränkten Armen vor der Tür stand, schienen alle mit einer Beobachterrolle zufrieden zu sein. Eigentlich zogen sie sich sogar zurück und machten Platz. Super.
»Mistress Hexe«, sagte Pierce mit angespannter Stimme, als wir uns dem Erdgeschoss näherten. Ich konnte kaum mit ihm Schritt halten. »Ich bitte respektvoll darum, durch Euch mit einer Linie kommunizieren zu dürfen.« Er warf mir einen schnellen Blick zu, und wieder war ich überrascht, wie unglaublich blau seine Augen waren. »Um bei unserer Flucht zu helfen. Gäbe es einen anderen Weg, würde ich diesen wählen.«
Ich schob meine Hand in seine und umklammerte sie.
»Zapf eine Linie an.« Er warf mir einen verwirrten Blick zu und ich schrie. »Kommuniziere mit dem Jenseits!«
Ich sog zischend die Luft durch die Zähne, als er es tatsächlich tat, und drückte seine Hand, um ihm zu sagen, dass alles in Ordnung war. Macht brannte durch mich wie Eis, als wir im Erdgeschoss ankamen, und ich fühlte, wie meine Zunge kribbelte. Pierce richtete sich auf, dann hüllte er mit einem Aufschrei seine Hand in einen ungefähr kopfgroßen Ball aus Jenseits.
Das kam durch mich , dachte ich stolz, während wir weiter auf die Tür zueilten.
Pierce warf den Ball. Die Hexe vor der Tür jaulte auf und warf sich zur Seite. Grüne Macht mit rotschwarzen Rändern traf die Glastüren und verteilte sich dort wie Schleim. Ein Knall erschütterte die Luft und hätte mich fast umgeworfen. Glas wurde in einem lautlosen Regen nach draußen geschleudert.
»Geht es Euch gut, Miss Rachel?«, fragte Pierce ernsthaft, während ich mich etwas erholte.
Ich sah auf, als er mich am Ellbogen stützte. Für einen Moment standen wir nur da, vollkommen aufeinander konzentriert, verbunden durch die Kraftlinie und unseren Wunsch zu fliehen. Mein Innenohr knackte nach der Explosion. Hinter mir hörte ich Schreie, die langsam Sinn ergaben. Jenseits der zerstörten Türen hörte ich den Verkehr und spürte die frische Winternacht. Die Hexe auf dem Boden sah geschockt zu uns auf. »Wow«, sagte ich und Pierce entspannte sich etwas.
Als er sicher war, dass ich wieder stabil stand, ließ er meinen Ellbogen los, hielt aber weiter unsere Finger verschlungen. »Erlaubt mir, Mistress Hexe«, sagte er galant
und eskortierte mich durch die zerbrochenen Glasscheiben.
»Hey! Stopp!«, schrie jemand. Mein Puls raste, und trotz des sicheren Wissens, dass meine Mom mich »mächtig peinigen« würde, falls sie es je herausfand, stieg ich elegant
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