Blutfrost: Thriller (German Edition)
waschechte dänische Schweinefarm zu sehen. Ich rufe dich wieder an.« Ich legte auf und starrte die Wand an, die mit Unmengen bunter Zettel beklebt war. Vergiss diese »E«, dachte ich. Da draußen liefen so schon genug Verrückte herum. Und ohne Übertreibung konnte ich sagen, dass ein unverhältnismäßig großer Teil davon immer wieder ausgerechnet mir begegnete.
7
Gegen Nachmittag wurde es in meinem Büro langsam dunkel. Eigentlich hätte ich jetzt einen Termin mit einer Pathologin, doch ich hatte wieder zu lange vor mich hingeträumt und telefoniert und schließlich nach meiner Schlüsselkarte suchen müssen. Als ich mich endlich erhoben hatte, in meinen Wintermantel geschlüpft war und meine Füße in die schrecklichen Moonboots gesteckt hatte, kam der rechtsmedizinische Leiter mit einem schelmischen Grinsen auf den Lippen zu mir herein und schloss die Tür hinter sich.
»Ich bin wirklich beeindruckt von Ihnen, meinen Glückwunsch!« Er stand mit dem Rücken zur Tür und strahlte über das ganze Gesicht.
»Warum das denn?«, fragte ich und steckte meine Cecil in die Tasche, während ich den Schreibtisch nach dem Feuerzeug absuchte.
»Also, ich habe es nie geschafft, einen Artikel im Journal of Forensic Sciences zu veröffentlichen. Ich bin stolz auf Sie. Sie sind seltsam, aber tüchtig sind Sie, das muss man Ihnen lassen.« Ich erwiderte sein Lächeln. Wenn er nur wüsste, wie leicht mir so was fiel. Im Gegensatz zu anderen Dingen war das beinahe ein Kinderspiel. Ich fand das Feuerzeug unter einem Stapel Vorlesungspläne.
»Danke schön, aber wissen Sie, ich muss jetzt wirklich los. Ich werde in der Pathologie erwartet.«
»Ja, ich sehe, dass Sie auf dem Sprung sind«, sagte er überraschend leise und zurückhaltend, bevor wir gemeinsam mein Büro verließen.
Noch im Windfang zündete ich mir die Zigarette an, weil es draußen so stürmte. Ein paar Vögel flogen auf, als ich durch die Tür trat. Ich beneidete sie.
Dunkle Wolken waren aufgezogen, und man konnte fast meinen, die Dämmerung hätte sich bereits an den Himmel geschlichen und sich wie eine Vorwarnung der nächtlichen Finsternis über die parkenden Autos gelegt. Liebevoll tätschelte ich meinen Wagen und schrieb hastig »Komme gleich wieder« in den dünnen Schnee auf der Heckscheibe. Ich war wirklich überzeugt davon, dass der Termin mit Hanne, einer Pathologin, die ich erst vor kurzem auf einem Seminar über genetisch bedingte Herzkrankheiten kennengelernt hatte, nicht lange dauern würde. Klein und vertrocknet und die eine Hälfte des Gesichts von einer asymmetrischen Topffrisur verdeckt, hockte sie über ein Mikroskop gebeugt in ihrem offenen Büro, als ich etwas kurzatmig angerannt kam und sie begrüßte.
»Die Polizei hat mich gebeten, mir das hier anzugucken, aber ich sehe da nichts anderes als totes Gewebe.« Sie blickte kurz auf, nahm ein Papier vom Tisch, erhob sich und bedeutete mir, mich ans Mikroskop zu setzen.
»Die Polizei?«
»Ich weiß, was du denkst«, fuhr sie fort, noch ehe ich überhaupt weiterdenken konnte. »Du wunderst dich bestimmt, warum sie dich nicht gefragt haben, schließlich bist du ja die Expertin für Verätzungen. Wenn ich das richtig sehe, ist dieser Karoly aber nicht gerade dein größter Fan.«
Karoly war einer der Leiter der Mordkommission, und es stimmte, wir beide kamen nicht miteinander zurecht. Die Chemie zwischen uns stimmte ganz einfach nicht, und er war sensibel genug, um meine Aversion gegen ihn zu spüren. In einem meiner wiederkehrenden Tagträume schob ich ihn wie eine CD-ROM in meinen Computer und überarbeitete ihn gründlich,innen wie außen. Normalerweise ließ ich mich liebend gern über ihn und seine Unfähigkeit aus, aber jetzt verzichtete ich darauf.
Viel wichtiger war die Tatsache, dass ich mich mit Verätzungen eigentlich überhaupt nicht auskannte. In der Klinischen Pathologie hingegen wurden Jahr für Jahr an die achtzigtausend Gewebe- und Zellproben mikroskopisch untersucht und diagnostiziert. Wer hier arbeitete, war wirklich kompetent, warum sollte Karoly also jemand anderen bitten, sich eine Gewebeprobe anzuschauen?
»Ich sehe auch nichts«, sagte ich, das Auge noch immer über dem Mikroskop. »Wie du schon gesagt hast, da ist nur totes Gewebe. Wie bist du denn auf die Idee gekommen, dass ich mich mit Verätzungen auskenne? Oder gar eine Expertin auf diesem Feld bin? Das ist eine Wahnsinnsübertreibung.« Ich wusste nicht mehr über dieses Thema, als ich im Laufe der Jahre
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