Blutfrost: Thriller (German Edition)
wohnten eine junge Hausfrau, ihr Mann, natürlich ein Arzt, und ihre zweijährige Tochter. Eines Sonntagnachmittags, es war der 28. Februar dieses Jahres, wurde das Mädchen in ihrem Kinderwagen für den Mittagsschlaf auf die Terrasse geschoben, während Mutter und Vater im Haus anderen Tätigkeiten nachgegangen waren. Sie hatte ferngesehen und er gelesen. Danach hatte die Frau sich die Bügelwäsche vorgenommen und der Mann einen Stuhl im Esszimmer repariert. Sie hatten sich beide im Wohnzimmer mit Blick auf die Terrasse aufgehalten, auf der das kleine Mädchen hinter einer Glasschiebetür schlief. Als das Kind weinend aufwachte, ging die Mutter nach draußen und nahm es aus dem Wagen. Sie bemerkte ein paar dunkle Flecken an den Ohren und am Hals ihrer Tochter. Der Gurt des Kinderwagens und das Kleidchen des Mädchens waren nass und stanken schrecklich. Die Mutter legte ihre Tochter, die wie am Spieß geschrien haben soll, auf den Esstisch, löste den Gurt und zog sie rasch aus, bis sie den »grässlichen Ausschlag auf der ganzen Brust« sah.
Das Gefühl eines Déjà-vus überwältigte mich mehr und mehr, und schließlich wurde mir klar, von wem hier die Redewar. Ich überprüfte die Namen, und ja, es waren Eva und Daniel T. Sommer. Das misshandelte Kind hieß Josefine. Ich goss mir Wein nach, zündete mir erneut eine Cecil an und hielt die Luft an. Alles auf einmal. Dann las ich weiter.
Die Mutter hatte die Kleine daraufhin in eine Decke gewickelt und war mit ihrem Mann sofort in die Notaufnahme der Ambulanz gefahren, in der man ihnen aber nicht hatte sagen können, ob es sich um eine Krankheit handelte oder ob die Kleine irgendwelchen äußeren Einflüssen ausgesetzt gewesen war. In den Aufzeichnungen aus der Ambulanz hieß es:
Zweijähriges Mädchen, bis dato gesund, wird wegen eines starken Hautausschlags, der sich im Laufe von nur zwei Stunden entwickelt haben soll, in die Notaufnahme gebracht. Bei ihrer Ankunft in der Notaufnahme ist die Patientin von dem Ausschlag gezeichnet, sie weint, ist aber nicht septisch oder meningeal. Der Ausschlag befindet sich an der gesamten Vorderseite des Thorax sowie an beiden Oberarmen. Die betroffenen Hautschichten sind von einer dunkelgrünen, glatten Hülle mit roten Rändern und peripheren Pusteln überzogen, einzelne solcher Stellen finden sich auch an den Ohren.
Das Kind wurde sofort an die Abteilung für Brandverletzungen in der Plastischen Chirurgie, Station Z, überwiesen. Die Brandwundenexperten legten vorsichtshalber Schutzkleidung an, weil sie sich die Schädigungen nicht unmittelbar erklären konnten und fürchteten, es mit einer lebensbedrohlichen, ansteckenden Hauterkrankung zu tun haben zu können. Die Hautschäden fanden sich an der gesamten Brust, am rechten Oberarm, dem Ellenbogen und auf dem Handrücken. Des Weiteren an der rechten Schulter, dem rechten Ohr und dem linken Unterarm. Auch unter dem Kinn und an der rechten Wange war die Haut geschädigt, überdies wirkten die Lippen gerötet. Das kleine Mädchen wurde komplett fotografiert. Die Eltern hatte beidekeine Ahnung, was geschehen war, die Mutter erlitt noch im Krankenhaus einen Schock und verlor das Bewusstsein.
Tags darauf fuhr die Mutter gemeinsam mit der Polizei zurück zu ihrem Haus. Der Vater hatte in der Zwischenzeit aufgeräumt und die Decke, das Polster und die Gurthalterung des Kinderwagens, die allesamt nass gewesen waren, entfernt. Der Vater gab der Polizei gegenüber an, er habe die Sachen auf dem Weg zum Krankenhaus in einen Abfallcontainer geworfen, doch als die Polizei diesen Container überprüfen wollte, war dieser gerade geleert worden, sodass es keine Beweisstücke gab. Der Vater konnte keine Antwort darauf geben, warum er diese Sachen entfernt hatte. Er sagte lediglich, dass er einfach hätte »aufräumen« wollen.
War ich vorher höchst unsicher gewesen, zweifelte ich jetzt nicht mehr, kein bisschen. »E« war Eva. Mein Bruder war das Monster, das seine Kinder umbrachte. Anschließend Großvater anrufen , notierte ich mir mental. Und las weiter.
Die Polizei fand schließlich doch noch den Gurt des Kinderwagens, den die Mutter unter den Esstisch geworfen hatte. Er wurde dem Chemielabor der Kriminaltechnik übergeben, dessen Analyse schnell zeigte, dass es sich bei der Flüssigkeit um eine basische Lauge mit einem pH-Wert von elf oder höher handelte, aller Wahrscheinlichkeit nach Rohr- oder Ofenreiniger. Aufgrund dieser Erkenntnis gaben die Brandwundenexperten in ihrem
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