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Blutfrost: Thriller (German Edition)

Blutfrost: Thriller (German Edition)

Titel: Blutfrost: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Staun
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bei Josefine, was den von uns angenommenen Tatzeitpunkt belegte. Ich nervte die Leute im Krankenhaus bis aufs Blut, bekam letztlich die Fotos, die ich brauchte, und verwendete anschließend jede freie Minute, um eine Argumentation zu entwickeln, die die Polizei nutzen konnte. Ich erklärte meine Vorgehensweise, eigentlich ein simples Trial-and-Error-Verfahren, dessen Schlussresultate nichtsdestotrotz sehr wissenschaftlich daherkamen. Die Darstellung beantwortete alle Fragen der Polizei und erklärte den vermutlichen Handlungsverlauf. Ich war stolz wie ein Gockel, denn auch wenn der Versuch recht primitiv gewesen war, so war er doch vollkommen einzigartig. Und schließlich hatte ich damit Erfahrungen über den zeitlichen Verlauf von Verätzungen gewonnen, die es zuvor noch nicht gegeben hatte.
    Dass mein Arm am zweiten Tag schrecklich anschwoll, sich eine Woche später entzündete, sodass auch noch meine Lymphknoten in der Achselhöhle dick wurden, trug noch mehr zu meinem Gefühl bei, eine Heldin zu sein. Ein Gefühl, das Fyn Nielsen mit seiner Freude und seiner enormen Dankbarkeit unterstützte. Es machte mich einfach glücklich, diesem Mann eine Freude zu bereiten.
    Da sich die Brandwundenexperten so eindeutig geäußert hatten, riet ich Fyn Nielsen, den Fall an den Rechtsmedizinischen Rat zu schicken, damit unabhängige Kollegen meinen Vorschlag beurteilen konnten. Kaum war die Sache von meinem Tisch, meldete »E« sich mit einem derart perfekten Timing, als hätte sie vernommen, dass ich Ruhe zum Arbeiten brauchte.
    Dr. Krause,
    am allermeisten war ich das Rasieren leid. Als Zwölfjährige hat man ja nicht gerade viele Haare auf der Brust, aber trotzdem wurde ich jedes Mal rasiert. »So machen wir das hier«, sagte die Schwester, als ich protestierte. Sie schmierte meinen Brustkorb mit kaltem, weißen Schaum ein und rasierte mich mit einem blauen Einmalrasierer, wie Vater ihn benutzte, wenn er sich gelegentlich aufraffte und sich die Zotteln aus dem Gesicht schabte.
    Während die Schwester die Klinge systematisch durch die dicke Schicht Schaum zog, stellte ich mir vor, auf den Zweig zu klettern, der immer wieder am Fenster kratzte. Ich war leicht wie eine Feder, sodass er nicht brach und ich die dickeren Äste in der Nähe des Stamms erreichen konnte. Dort stellte ich mir ein Baumhaus vor, in dem ich allein lebte und vollkommen glücklich war. Auf diese Weise gelang es mir, das grelle Kliniklicht zu verdrängen, die kalten Hände, die Stimmen, Mutters angespanntes Gesicht, nur nicht den Geruch dieses zentimeterdicken Schaums, der eine Schutzschicht zwischen den Fingern der Schwester und meiner Haut bildete.
    Irgendwann war ich dann bereit für die sechs weißen Lappen, die erst mit einem klaren magnetischen Gel beschmiert und dann auf meine Haut gelegt wurden. Unmengen von Leitungen führten von meinem Brustkorb über meinen Bauch in meine Hose. Siekamen am Reißverschluss wieder heraus, aber was dann kam, wollte ich gar nicht mehr sehen, sodass ich an die Decke schaute und in dem kleinen, braunen Fleck zu verschwinden versuchte, der neben der Leuchtstoffröhre zu erkennen war. Ich ertappte mich bei der Vorstellung, dass die Leitungen irgendwie mit einem Stecker verbunden waren, der in die Steckdose gesteckt wurde, und dass die Schwester jeden Moment den Strom einschalten würde und ich wie ein Epileptiker auf dem Laken herumzuckte und erst starb, als Funken aus meinem Körper sprühten und sich dicker Rauch bildete. Genau wie damals, als sie vergessen hatten, den Schwamm zu wässern, den sie dem Mann auf dem elektrischen Stuhl auf den Kopf gelegt hatten, sodass er irgendwie von innen heraus verbrannte. Auch wenn ich nicht daran glaubte, versuchte ich mir in diesen Momenten auszumalen, durch all den Strom endlich normal werden zu können. Ganz normal, damit ich jeden Tag in die Schule gehen und sogar eine gute Schülerin werden würde. Freunde finden würde! Und nie wieder sitzenbleiben, weil ich so viel fehlte. Das Einzige, was ich konnte, war Zeichnen. Weder meine Mutter noch mein Vater konnten mit einem Zeichenstift umgehen, ich aber war richtig gut darin. Vielleicht weil ich die ganze Zeit nichts anderes tat, oder weil das etwas war, was die Hand tat, ohne dass der Kopf dafür nachdenken musste. Das war wirklich das Einzige, womit ich mir in all diesen Wartezimmern, in denen ich den Großteil meiner Kindheit verbrachte, die Zeit vertreiben konnte.
    Aber sie setzten mich nicht unter Strom, was mich verwirrte.

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