Blutfrost: Thriller (German Edition)
Fahrt und es blieb auch nicht das letzte Mal, dass ich nichts zu essen bekam.
Im Krankenhaus rastete Mutter richtiggehend aus. »Innerhalb des normalen Rahmens?« So etwas durfte man nicht zu ihr sagen.
Sie hatte sich so darauf gefreut, dass ich endlich anständig untersucht werden würde, und dann schienen in diesem Krankenhaus wieder nur Idioten zu arbeiten. Scheiß Provinzklinik. Altmodische Ausstattung. Die haben keine Ahnung und engagieren sich nicht mal.
Wir fuhren geradewegs zurück zu Dr. Shirley, schließlich war das eine Notsituation. Zum Glück hatte sie an diesem Tag, einem Donnerstag, bis acht Uhr abends geöffnet und empfing uns, obwohl wir einfach so ohne Termin hereinplatzten.
Dr. Shirley hörte sich noch einmal mit ihrem kalten Stethoskop mein hämmerndes Herz an, und ich bekam Gänsehaut. Nur meine Wangen wurden heiß, als plötzlich mein Magen knurrte. Sie notierte sich meine Kurzatmigkeit und dass ich schnell müde wurde. Mein Magen knurrte wieder laut, und meine Mutter kommentierte das Geräusch mit den Worten: »Ja, dass sie Hunger hat, glaube ich, sie isst ja nichts. Was soll man denn machen? Sie zwangsernähren?«
»Ich verstehe«, sagte Dr. Shirley. »Es ist wirklich nervenaufreibend, ein krankes Kind zu haben. Aber ich verspreche Ihnen, dass ich mein Bestes geben werde, um einen Spezialisten zu finden, der Ihnen helfen kann, Mrs. Levine.«
Meine Mutter schniefte in ein Taschentuch. »Danke, Dr. Shirley. Ich fühle mich immer so schuldig, ich habe so eine Angst, irgendetwas verkehrt zu machen. Ich gebe mein Äußerstes, aber trotzdem kommen wir nicht vorwärts.« Ich sah meine Mutter ratlos an. In ihren Augen standen Tränen.
»Mrs. Levine«, sagte Dr. Shirley und legte ihre Hand auf Mutters Schulter. »Sie sind eine fantastische Mutter und Sie machen alles richtig. Ich werde Ihnen schon helfen können.«
Ja, eine verdammt fantastische Mutter, das war sie wirklich.
– E
Ihre Mutter hieß Levine, Eva hieß aber Sommer mit Nachnamen. War ich mit Eva doch auf einer falschen Fährte? Aber wenn diese Mails nicht von Eva kamen, von wem dann? Ich war diese »E« langsam leid. Hatte keine Lust, ihr zu antworten, tat es schließlich doch.
Liebe E,
ich kann Ihnen nicht helfen, wenn Sie sich nicht zu erkennen geben. Wer ist der, der mir nahesteht und der Ihrer Meinung nach seine Kinder umbringt? Und wer sind Sie? Treten Sie ins Licht, damit ich nicht die Geduld verliere.
Mit freundlichen Grüßen,
Dr. Krause
Wer war es, der mir am nächsten stand? Momentan wohl der Rollstuhlmann. Ihm hatte ich alles erzählt. Er wusste über mich, was auch Nkem über mich wusste, nahm es aber mit einer anderen Form von Verständnis entgegen. Wenn sich die Schrauben in meinem Kopf lockerten, hielt Nkem Abstand, der Rollstuhlmann hingegen nicht. Auf seltsame Weise hatte ich das Gefühl, ganz eins mit ihm zu sein, auch wenn ein ungeheures Schamgefühl in mir mich bis jetzt daran gehindert hatte, all das mit ihm zu tun, was sich in meinem Kopf abspielte, sobald ich die Augen schloss.
Eine seiner Helferinnen hieß Else. Und diese Else musterte mich immer mehr als auffällig. Vielleicht fragte sie sich, was ich eigentlich von ihm wollte? Ob ich es nur auf sein Geld abgesehen hatte und es mir egal war, dass ich ihm das Herz brach. Schließlich war sie es, die ihm den Arsch abwischte. Vielleicht hatte dieser Blick aber auch eine ganz andere Erklärung.
Der Rollstuhlmann hatte einen Sohn, der bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen war, den er verursacht hatte. In gewisser Weise hatte er damit seinen Sohn getötet. Seine Kinder . Mehr als eins. Andererseits wusste ich ja nur, was er mir erzählt hatte.
Oh, verdammt, war das abwegig.
14
Jedes Mal, wenn ich mich dem großen weißen Haus an der Langelinie näherte, stürmte es. Und jedes Mal dachte ich an Sex. Trotzdem entwickelten die Dinge sich immer anders, als ich es erhofft hatte. Zu viel Amarone, zu viel Unpässlichkeit von Seiten des Rollstuhlmannes – mal eine Blasenentzündung, mal heftige Traurigkeit.
So auch heute. Seine ungelenken Finger bedrückten ihn. Ohne Finger konnte er nicht schreiben. Schade für ihn und nicht gerade sexy, sagte eine fiese Stimme in mir. Denn genau, als er das Thema ansprach, spürte ich den unbändigen Drang meines Körpers nach einer gesunden Hand, die über meinen Rücken streichelte und sich auf meinen Po legte. Er sollte mich anfassen, überall, mein Gesicht fest in seine Hände nehmen und mich küssen. Meine
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