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Blutfrost: Thriller (German Edition)

Blutfrost: Thriller (German Edition)

Titel: Blutfrost: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Staun
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Jahren, und seine Verstrickung in eine mögliche Kindesmisshandlung.
    »Und da meinst du trotzdem, dass ausgerechnet du so ein Experiment unternehmen solltest? Du bist doch total befangen«, meinte Nkem. »Und außerdem wolltest du nie wieder etwas mit ihm zu tun haben, oder?«
    Ich erhob mich und sah sie eiskalt an. »Ich bin wissenschaftliche Mitarbeiterin hier an diesem Institut, oder? Die Wissenschaft sucht die Wahrheit. Und die Wahrheit interessiert es nicht, wie Menschen heißen oder mit wem sie verwandt sind.«
    »Das glaubst du doch selbst nicht«, rief sie. Was dann folgte, war der reinste bitch-fight .

12
    Bereits am nächsten Morgen hatte »E« mir per E-Mail geantwortet:
    Dr. Krause,
    irgendwann bekam meine Mutter eine neue Idee, was es mit all meinen Krankheiten auf sich hatte. Es musste mein Herz sein. Irgendetwas konnte damit nicht stimmen. Der Rhythmus. Ich musste Herzrhythmusstörungen haben. Also war ich wirklich ernsthaft krank.
    Sie hatte mich aufs Sofa gelegt, und ich wagte es kaum, mich zu rühren. Mit zunehmender Angst spürte ich mein Herz schlagen. Die Stahlfedern des Sofas knirschten, sobald ich Luft holte, und jeder Atemzug fühlte sich an, als ob sich meine Lungen mit Feuer füllten.
    Ich sah zu meiner Mutter hinüber, die in ein Buch vertieft in dem samtgrünen Schaukelstuhl saß. Sie bewegte beim Lesen den Mund, nicht weil sie schlecht lesen konnte, sondern weil sie bei all diesen gesammelten Krankheitsbildern ständig neue Theorien formulierte, was mir denn fehlen könnte.
    Mein Hirn summte von den Stimmen, die ich zu verdrängen versuchte. Tiefe Stimmen, die mir erzählten, dass ich sehr krank war und bald sterben würde, und leisere Stimmen, die behaupteten, ich sei vollkommen gesund. Meine Mutter machte es traurig, wenn es mir gut ging, denn das konnte ja nicht sein, sagte sie. Um des lieben Friedens willen erfand ich deshalb meist irgendetwas, wenn ich schnell genug war. Ansonsten tat sie das. Das wusste ich damals natürlich noch nicht, ich wusste nur, dass es am besten war, wenn ich krank war.
    An diesem Tag hatte ich Bauchweh vor Hunger. Ich hatte kein Mittagessen bekommen, und mittlerweile war es acht Uhr abends. Aber gleich würden wir Hirsebrei essen, an dem schweren Tisch, den niemand von der Stelle rücken konnte. Mein Vater sabberte, und der grüne Brei klatschte auf das Plastiklätzchen. Vater grinste vor sich hin und starrte auf einen Punkt irgendwo hinter meiner Mutter.
    »Nicht zu fassen«, sagte meine Mutter, und wir sahen beide weg und aßen unseren Brei mit geschlossenen Augen. Es gab häufig Brei, weil das eine der wenigen Sachen war, die ich vertrug, sagte Mutter. Tags zuvor hatte es Chips mit Dipsauce gegeben, weil die im Angebot waren, drei Tüten für den Preis von einer, aber das war gestern gewesen. Heute hätte ich es bestimmt gar nicht mehr vertragen, sagte Mama, außerdem galt das Angebot ja nicht mehr.
    Tags darauf war ich wegen meines Herzfehlers nicht in der Schule. Ein großer Karton von irgendeinem Mailordershop war gekommen, sodass meine Mutter in einen vorübergehenden Waffenstillstand mit meinen Krankheiten eingewilligt hatte. Ich durfte mit meinem Rad eine Runde über Rexvilles kaugummiübersäte Hauptstraße drehen, die im Laufe des Morgens immer belebter wurde. Die meisten nutzten die Stadt nur, um hindurchzufahren und die Straße mit Plastikbechern, grünen Glasscherben, zerdrückten Bierdosen und Verpackungen von Wendy’s und Pizza Hut zu schmücken. Dazu kam der stetige Geruch von Pisse, und ich hatte eine ganz bestimmte alten Dame im Verdacht, dafür verantwortlich zu sein. Sie hatte immer einen dunkelgelben Fleck auf ihrem Mantel und unternahm nicht einmal einen Versuch, diesen zu verbergen. Während sich also langsam der Müll auf der Main Street und der Cemetery Road häufte, füllte sich auch die Luft mit Burger- und Bierdunst und etwas anderem, das irgendwie nach faulen Eiern und Durchfall roch. Meine Mutter behauptete immer, dass es hier in unserem Ortdie meisten hässlichen Menschen in ganz Amerika gab und dass sie nur aus Barmherzigkeit hier wohnen blieb, um auf meinen Vater aufzupassen. Sie sagte, Rexville sei die einzige Stadt in den USA, die ihn aufzunehmen bereit war, alle anderen Orte hätten Trunkenbolde seines Kalibers nicht toleriert oder gleich umgebracht.
    Ich fuhr auf der Cemetery Road auf und ab, vorbei am Friedhof und der St.-Mary’s-Kirche und spielte mein Lieblingsspiel: Dass ich tot umfiele, wenn ich nur einen der

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