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Blutfrost: Thriller (German Edition)

Blutfrost: Thriller (German Edition)

Titel: Blutfrost: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Staun
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seinen dünnen Arm und drückte ihn fester gegen meinen Körper, bis mein Mund ganz schlaff wurde und über seine Wange glitt. Als ich mich wieder aufrichtete, sah ich meinen Speichel auf seiner Haut.
    Ich setzte mich hin, zog mein Kleid zurecht, nahm einen Schluck Wein und sah weg. Er lächelte über meine plötzliche Scham.
    »Mein Arzt sagt, dass ich, wenn ich eine Tablette nähme …«, begann er, ich aber hatte längst begriffen, wofür ich gekommen war, denn das Gespenst, das vor langer Zeit von mir Besitz ergriffen hatte, durchstreifte meinen Körper und molk die Begierde aus jeder Pore.
    »Du bist die Sehnsucht«, sagte ich leise und schloss die Augen. »Glieder, die ohne jeden Sinn langsam auseinandergezogen werden.«
    »… es vielleicht doch kann. So wie früher.«
    Ich sah in die dunkelste Ecke des Zimmers und blieb mit meinen Augen dort. Dann zwang ich mich, auf meine Armbanduhr zu blicken. Es war vier Uhr morgens. Ich hätte wetten können, es wäre nicht später als Mitternacht. Wo war die Zeit geblieben?
    Als ich nicht antwortete, fuhr er fort:
    »Aber erst müssen wir intim miteinander sein«, sagte er und sah mich eindringlich an.
    Am liebsten wäre ich auf der Stelle gestorben. Intim! Dieses beschissene, blöde Wort!
    Er aber fuhr fort: »Ich hatte vergessen, wie es war zu küssen und was Küsse mit dem Rest des Körpers tun.«
    Ich kriegte keine Luft mehr, ich musste weg, sofort. Schnell stand ich auf.
    »Danke für den Abend.« Meine zitternde Stimme atmete Angst und Verwirrung in das große Zimmer. Ich küsste ihn auf die Stirn, drehte mich um und ging so schnell ich nur konnte davon.
    »Kommst du wieder?«, hörte ich ihn fragen.
    »Ja«, sagte ich, ohne mich umzudrehen, und schloss die Tür des Wohnzimmers hinter mir.

15
    Ich segelte mit kleinen Schritten in Richtung Auto, während die Schneeflocken leicht und weich vor meinen Augen herumtanzten. Erst beim dritten Versuch gelang es mir, den Schlüssel in das Schlüsselloch meines geliebten Golf GTI zu stecken, ein Auto, das viel zu alt für Zentralverriegelungen war. Als es mir endlich gelungen war, zögerte ich einen Moment, denn ich hatte mit Sicherheit zu viel getrunken. Ich versuchte, die Gläser zu zählen, gab aber schnell wieder auf. Der Wein hatte wie Johannisbeersaft geschmeckt, und ich hatte ihn wie eine durstige Feldarbeiterin in mich hineingeschüttet. Gierig, schnell und sicher mehr als zehn Gläser, die außerdem viel zu groß waren, um in irgendein Schema zu passen. Ich lehnte den Kopf an das Dach und versuchte, mich selbst dazu zu überreden, mir ein Taxi zu bestellen. Stattdessen schwammen die Gedanken vom Rollstuhlmann (in was hatte ich mich da nur wieder verstrickt?) zu dem Videoband, das wir gesehen hatten (dass da eine Verbindung zu meinem Fall war, spürte ich). Fyn Nielsen tauchte in seinen schicken Klamotten in meinem Kopf auf. Wie er sich diskret in mein Büro schlich und den Bericht auf den Couchtisch legte. Weil ich Expertin für plötzlichen Kindstod war, für Krippentod. Was hatte das mit dem Bericht zu tun? Ein Kind war verätzt worden. Weiter nichts.
    Ich starrte in die Nacht hinein, legte den Kopf langsam in den Nacken und sah nach oben in den Himmel, der endlich einmal klar und voller Sterne war. Nur das Streulicht der Straßenlaternen wirkte wie ein Dunstschleier. Etwas weiter entfernt sah ich die Lichter der Gärtnereien. Tausende von Quadratmetern beleuchteter Treibhäuser, die die Energie in dieNacht hineinbrannten und die Unterseite der wenigen Wolken in einen roten Schimmer tunkten.
    Ich spürte die Abwesenheit des Rollstuhlmanns wie einen pochenden, fast mit Händen zu greifenden Schmerz im Körper, und mein Hirn produzierte hoffnungslose Bilder von Sex mit einem Gelähmten.
    Warum musste meine Wahl immer derart problembeladen sein und mich in schwierige Situationen bringen? Warum wollte ich oder das Schicksal, dass ich mich von einem Mann einfangen ließ, in dessen Gliedern kein Leben mehr war?
    Josefine war entweder von ihrer Mutter oder von ihrem Vater verätzt worden, das stand inzwischen – dank meiner Nachforschungen – fest. Das kleine verätzte Mädchen war außerdem zu alt für einen Krippentod.
    Mit Krippentod bezeichnete man die Todesfälle bei Neugeborenen, die man nicht erklären konnte. Obduktionen und Untersuchungen gaben meist keinen Aufschluss, und auch die Krankengeschichte des Kindes oder seiner Eltern gab keinen Hinweis. Der Säugling wurde meist, aber nicht immer, nach dem

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