Blutgeld
Mittelsmann, wann werden Sie ihn sehen?»
«Irgendwann diese Woche, nehme ich an. Er hat angerufen und gesagt, er treffe bald in Genf ein. Es dürfte also nicht mehr lange dauern.»
«Und Sie werden von ihm Anweisungen erhalten?»
«Ja, das nehme ich an. Ich werde ihm die Situation erklären. Und er wird einen Vorschlag machen, wie vorgegangen werden soll.»
Lina schüttelte den Kopf in gespieltem Zorn. «Dann gehe ich auf der Stelle zu CNN . Ich werde sie in Paris anrufen. Sie werden heute Nachmittag hier sein.»
Mercier hob sanft die Hand. «Nein, nein. Bitte tun Sie das nicht. Warten Sie, bis ich mit dem amerikanischen Herrn gesprochen habe. Dann wäre es mir ein Vergnügen, Sie noch einmal zu empfangen und diese Angelegenheit ausführlicher mit Ihnen zu besprechen. Mehr als ein Vergnügen. Das versichere ich Ihnen. Aber bis dahin kann ich nichts unternehmen.»
Lina sah ein, dass ihr nichts anderes übrigblieb, als sich einverstanden zu erklären. «Wann können Sie mich wieder empfangen, bitte?»
«Sehr bald. Rufen Sie mich in ein paar Tagen an, um einen zweiten Besuch auszumachen. Bis dahin dürfte ich Ihnen etwas Positives berichten können.»
«Ich werde Sie anrufen. Und sollte es noch immer Probleme geben, schalte ich CNN ein.»
«Vielen Dank, Miss Bazzaz. Ich bin Ihnen sehr dankbar für Ihre Geduld.»
Mercier verneigte sich leicht, ein oder zwei Zentimeter, zog sich zur Tür zurück und machte sie hinter sich zu.
Kurz danach kam die Empfangsdame, um Lina durch den schmalen Flur hinauszubegleiten. Sie gingen den Weg zurück durch das Labyrinth, die Flure entlang, die mit Gemälden von Schweizer Almen und jungfräulichen Gipfeln geschmückt waren. Sie sollten erhebend wirken, eine Art stille Hymne auf das Geld. Es gab im gesamten Gebäude keinen Hinweis darauf, dass die Bank fleißig damit beschäftigt war, Gelder für die korruptesten und käuflichsten Männer auf dem Planeten zu waschen.
«Welche Tür, Madame?», fragte die Empfangsdame, als sie ihren Rundgang beendet hatten. Lina wusste nicht genau, was sie meinte, bis die Frau ihr erklärte, dass die Bank außer dem offiziellen Eingang an der Vorderfront des Gebäudes noch einen zweiten, privateren Ausgang besaß.
«Die vordere», sagte Lina. Ihr Spiel war vorbei.
Einen Augenblick später begriff sie, dass sie einen katastrophalen Fehler begangen hatte.
Am Bordstein der Rue des Banques stand, direkt vor der Tür, eine Mercedes-Limousine mit getönten Scheiben. Neben dem Wagen stand, nur wenige Meter von Lina entfernt, der palästinensische Leibwächter, der sie im Gargoyle Club entdeckt hatte. Er trug jetzt Bluejeans und Sonnenbrille, und alle Welt hätte ihn für ein männliches Model beim Fototermin halten können. Am Bordstein, vor und hinter dem Auto, waren zwei weitere junge Männer in Freizeitkleidung. Lina suchte die Straße nach einem Polizisten oder wenigstens einem Passanten ab, aber der Boulevard war leer. Die wenigen Passanten, die normalerweise vielleicht da gewesen wären, waren stattdessen weiter oben auf der Place Bel-Air, wo ein arabischer Herr zusammengebrochen war und eine Traube Neugieriger um sich versammelt hatte.
Lina öffnete den Mund zu einem Schrei. Aber im selben Moment hupte der Mercedes und übertönte sie. Der Palästinenser und seine beiden Helfer kamen auf sie zu; die schwere Tür hinter ihr war verschlossen. Sie stieß nochmal einen Schrei aus, der wieder ein Hupen auslöste, und raste dann den Bürgersteig entlang, weg von dem Mercedes. Aber der Mann, der diese Seite bewachte, war mit einem Satz bei ihr, und sie rannte voll gegen seine Schulter, die so hart war wie ein Metallpfosten. Sie prallte zurück und stürzte, und im gleichen Augenblick packte der Palästinenser sie mit einem Arm von hinten, und mit der anderen Hand drückte er ihr ein Taschentuch auf Nase und Mund. Im nächsten Moment sackte sie schlaff in seine Arme. Die Hintertür des Mercedes ging auf, und sie fiel wie eine Leiche auf den Rücksitz.
Während sich dieses Ballett abspielte, schien die gesamte Straße menschenleer gewesen zu sein. Aber als der Mercedes Richtung Flughafen davongefahren war, öffnete ein muskulöser Mann mit lockigen schwarzen Haaren die Tür eines gemieteten Opels, der ein paar Häuser weiter schräg gegenüber von Crédit Mercier geparkt hatte. Während des Spektakels vor der Nummer elf hatte er sich auf seinem Sitz heruntergeduckt, sodass er von der Straße aus nicht zu sehen war. Aber jetzt ging Martin Hilton
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