Blutgeld
Kannst du mir folgen?»
«Vollkommen, kein Problem.»
«Und zwar sofort, Kleiner. Mach keinen Scheiß. Heute. Kannst du mir folgen?»
«Ich kann dir folgen, Pa. Ich besorg mir heute noch einen Strohhalm. Versprochen.»
«Von wegen, du kleiner, eingebildeter Antialkoholiker! Du hörst ja nie auf mich. Du könntest ein Vermögen machen, wenn du nicht so ein geiziger Arsch wärst. Ist dir das klar?»
«Tut mir leid, Dad. Ich will wirklich nicht unhöflich sein. Aber ich muss jetzt weg.»
«Du denkst, ich bin bloß so ein alter Säufer, stimmt’s? Gib’s zu. Lüg mich nicht an, Kleiner.» Er wurde jetzt rührselig. Als Nächstes würde er davon anfangen, dass ihn bei der CIA nie jemand wirklich gewürdigt habe.
«Ich muss jetzt los.»
«Du bist ’n Scheißkerl. Kleiner. Du, du …» Er suchte nach dem Wort und begann dann zu schniefen. Es klang, als würde er heulen.
«Tut mir leid. Ich hab zu arbeiten.»
Aus dem Hörer kam ein neues Bellen. Sam legte auf. Er wusste aus Erfahrung, dass sein Vater weiterreden würde, egal was er sagte. Als er den Hörer auflegte, merkte Sam, dass seine Hand zitterte. Er hatte zu der Welt seines Vaters nicht so viel Abstand, wie er sich das gerne einredete. Der Alte konnte ihn immer noch mit so etwas Simplem wie einem Telefonanruf aus der Fassung bringen.
Wie viele Söhne hatte Sam Hoffman sein Leben in Opposition zu dem seines Vaters aufgebaut. Wenn sein Vater ein Säufer war, würde er nüchtern sein. Wenn sein Vater ein Beamter der CIA gewesen war, würde er sich von der Agency so fern wie möglich halten. Wenn sein Vater Materie war, würde er Antimaterie sein. Aber letztendlich hatte ihn gerade dieser Reaktionsprozess um so enger an seinen Vater gebunden.
Sam war in Beirut aufgewachsen, wo sein Vater Ende der sechziger Jahre Leiter der großen und aktiven CIA -Außenstelle gewesen war. Als Einzelkind war er besonders stark der stürmischen Persönlichkeit seines Vaters ausgesetzt gewesen. Sich zu amüsieren hieß für Frank, mit seinem zehnjährigen Sohn einen Spaziergang durch die Hamra Street zu machen, in einer der zwielichtigeren Bars einzukehren, mit der Kundschaft zu plaudern und in schallendes Gelächter auszubrechen, wenn sein Sohn mit großen Augen zusah, wie sich die ägyptischen Stripperinnen entkleideten. Nach einer Auseinandersetzung hatte sein Vater Anfang der siebziger Jahre die CIA verlassen. In Saudi-Arabien hatte Frank einen Sicherheitsdienst aufgezogen, sich aber dann mit seinem saudischen Partner überworfen, und seine Ehe, die nie glücklich gewesen war, ging schließlich auch noch in die Brüche. Nachdem sie sich Franks Tiraden einmal zu viel hatte anhören müssen, hatte Gladys Hoffman ihre Koffer gepackt. «Jetzt kannst du dich um mich kümmern, kleiner Mann», hatte sie zu Sam gesagt. Sie nahmen die nächste Maschine, die sie aus Dhahran wegbrachte. Ab da war es mit seinem Vater steil bergab gegangen: Jähzorn und Trunksucht begannen, und der Sohn hatte auf alle mögliche Arten versucht, den dabei entstehenden Trümmern zu entgehen.
Anfangs hatte Sam der emotionale Verfall seines Vaters eine perverse Genugtuung verschafft. Er hatte in Athen eine Ortsgruppe der A.A. ausfindig gemacht und seinem Vater ins Gewissen geredet, die Versammlungen zu besuchen. Er hatte ihn mit Selbsthilfebüchern versorgt und seinen kleinen, dicken und notorisch trägen Vater gedrängt, Mitglied in einem Fitnesscenter zu werden. Aber nichts davon funktionierte. Trinken war für die CIA -Beamten seiner Generation ein Lebensstil. Schließlich beschloss Sam, dass ihn das Problem nicht mehr interessierte. Die Männer der CIA hatten aus ihren Kindern – und überhaupt der gesamten Nation – vierzig Jahre lang Mitabhängige gemacht, aber jetzt war es vorbei. Der Kalte Krieg war zu Ende. Das große Besäufnis vorüber. Jetzt trank niemand etwas Härteres als Eistee, und Frank Hoffman musste zusehen, wie er allein zurechtkam. Aber natürlich war es für Sam nicht so einfach, sich von ihm zu lösen. Vater und Sohn waren unwiderruflich miteinander verbunden, und je mehr sie sich anstrengten, sich voneinander zu befreien, desto fester wurden die Fesseln.
Es war jedem bis auf Sam Hoffman klar, dass die Tätigkeit, die er schließlich ergriffen hatte – als privater Finanzermittler –, der eines CIA -Beamten so nahe kam, wie es nur eben möglich war. Was Sam seinen Klienten anbot, lief auf eine Art privaten Nachrichtendienst hinaus. Er kannte die Details, die in den
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