Blutgeld
Handbüchern der Industrie- und Handelskammern nie aufgeführt wurden. Er wusste, welche saudischen Prinzen sauber waren und welche Dreck am Stecken hatten; welche ihre Rechnungen bezahlten und welche immer zehn Prozent einbehielten. Er wusste, welche libanesischen Mittelsleute liefern und welche nach Brasilien verschwinden würden. Er wusste, welche arabischen Banken echte Geldinstitute waren und welche nur auf dem Papier existierten. Kurz gesagt: Er wusste, wie man im Land der Lügner Geschäfte machte.
Was Sams Arbeit für seine Kunden besonders nützlich machte, war die Tatsache, dass er bei allem Misstrauen gegenüber einzelnen Arabern eine tiefe Sympathie für die Menschen und ihre Kultur empfand. Diese Faszination hatte in seiner Kindheit in Beirut begonnen; durch sein marokkanisches Kindermädchen, durch all die ausgedehnten Festessen mit den Freunden seines Vaters in den Bergen des Libanons, durch die Freundschaften und Rivalitäten, die ihn mit seinen arabischen Schulkameraden verbanden – diese Faszination war eine Schwäche, die er nie ganz ablegen konnte. Er liebte immer noch die höflichen Manieren der Araber, die Intimität ihrer Freundschaften, das selbstironische Gelächter ihrer Gespräche beim Abendessen, ja sogar die Heftigkeit ihrer Fehden. Er hielt sich über arabischen Klatsch in Politikerkreisen auf dem Laufenden, so wie manche Leute Baseballergebnisse verfolgen. Er wusste, ohne fragen zu müssen, wer unter den maronitischen Christen des Libanons die aussichtsreichsten Präsidentschaftskandidaten waren und was die politische Führung der drusischen Moslems von ihnen hielt. Er wusste, welcher saudische Prinz welche Londoner Zeitung kaufte und warum. Er liebte die Araber. Das wurde ihm manchmal zum Problem. Hätte er sie weniger gemocht, hätte ihm die Grausamkeit und Korruption nicht so viel ausgemacht, in die sie sich verstrickt hatten. Er hätte vielleicht darüber hinweggesehen. Stattdessen war er ein freiberuflicher Einmischer geworden, angetrieben von Zynismus und Idealismus zugleich. Beides war bei Sam äußerst eng miteinander verknüpft.
Ursprünglich hatte Sam Hoffman einen etwas konventionelleren Beruf ergriffen. Nach seinem Collegeabschluss hatte er in einer großen New Yorker Bank angefangen und eine Stelle im Privatgeschäftsbereich bekommen. Weil er Arabisch sprach und sein Vater jeden Prinz und Finanzjongleur Arabiens zu kennen schien, hatte man ihm angetragen, die Kundenkontakte am Persischen Golf zu pflegen.
Er hatte es drei Jahre lang mit dieser Art von Arbeit versucht und sich wirklich Mühe gegeben – hatte Anzüge mit Krawatten getragen, regelmäßig seine Post geöffnet und sogar ständig ein Mobiltelefon mit sich herumgetragen. Das große Problem für Sam aber war, dass er die allermeisten Leute, deren Geld er verwaltete, nicht ausstehen konnte. Mit wenigen Ausnahmen waren es korrupte und unehrliche Typen, deren Hauptziel darin bestand, ihren Wohlstand vor denjenigen zu verbergen, die ihn ihnen mit Fug und Recht wegnehmen wollten. Die Grenze des Erträglichen hatte er erreicht, als einer dieser Kunden, ein junger saudischer Prinz, versuchte, ihn in ein Geschäft zu verwickeln, das so durch und durch schamlos und korrupt war, dass Sam bei dem bloßen Gedanken daran immer noch zusammenzuckte. Der Saudi aber hatte ganz selbstverständlich angenommen, dass er einwilligen würde.
Aber Sam Hoffman hatte nicht eingewilligt. Er verließ die Bank und gründete seine eigene Finanzberatungsfirma, deren Spezialität es im Verlauf der Zeit wurde, genau gegen jene Leute zu ermitteln, deren Geld er zuvor betreut hatte. Das passte ihm erheblich besser. Aber selbst in seinem neuen Job konnte Sam nie ganz den Leuten aus dem Weg gehen, die ihm zwinkernd erzählten, seinen Vater aus alten Zeiten in Beirut zu kennen. Sie schienen alle überzeugt zu sein, dass Sam ungeachtet der Ideale, zu denen er sich bekannte, wusste, wie die Welt funktionierte, und letztendlich tun würde, was erforderlich war.
5
An der Wand hinter Sam Hoffmans Schreibtisch hing in einem Rahmen eine Sentenz von Oscar Wilde: «Das Geheimnis der Welt ist das Sichtbare, nicht das Unsichtbare.» Es war eine Art Lebensmotto geworden – erfahren zu wollen, was man erfahren konnte, und sich um den Rest nicht zu kümmern. Für Hoffman war es aber auch ein sinnvolles Geschäftsprinzip. Bei der Ermittlung der Tatsachen anfangen, die erhältlich waren – vor allem elektronisch erhältlich waren. Er begann mit seinen
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