Blutgeld
schläfrig.
«Ein Fabeltier, so ähnlich wie ein Fuchs. Es lebt draußen in der Wüste und stellt nur Unfug an.»
«Gute Nacht», murmelte Hoffman.
Dreißig Sekunden später küsste sie Hoffman auf den Mund. «Ich kann nicht schlafen», sagte sie und rollte sich auf ihn. Er war sofort wieder erregt.
«Ich möcht’s noch einmal», sagte sie.
37
Das Bankenviertel von Genf war mit glänzenden deutschen Autos verstopft, als Lina und Sam am nächsten Morgen in der Rue des Banques eintrafen. So voll wie die Straße war, konnten sie unmöglich feststellen, ob ihnen jemand gefolgt war. Jeder beobachtete jeden und niemanden. Lina führte Sam schnell die Straße von der Place Bel-Air hoch und hämmerte bei der Nummer elf mit dem Messingklopfer gegen die Tür. Sie wurde von derselben verbindlichen Schweizerin geöffnet. «Guten Morgen, Miss Bazzaz», sagte sie.
Als sie Hoffman hinter Lina hereinkommen sah, wollte sie die Tür zuknallen. Lina hob die Hand. «Das ist mein Anwalt», sagte sie. Die junge Frau zog sich zu ihrem Empfangstisch zurück, ging ans Telefon und flüsterte ein paar Sätze in den Hörer. Das Objektiv einer Überwachungskamera zoomte heraus, um Hoffman genauer unter die Lupe zu nehmen. Sam meinte, jemanden am anderen Ende der Telefonleitung lachen zu hören. Die junge Frau kam zu ihnen zurück. «Es ist Ihnen gestattet, Ihren Anwalt mitzubringen», sagte sie.
Die Empfangsdame führte ihre beiden Besucher durch das Labyrinth, vorbei an den beigefarbenen Wänden und verschlossenen Türen. Sie ging auch an der letzten Tür vorbei und bog dann wieder nach rechts, in einen Flur, der nur ein Portal hatte. Dies war das Konferenzzimmer des Geschäftsführers. Sie klopfte einmal an und drückte die Tür auf, um Lina hineinzulassen. Das Gesicht des Schweizer Bankiers Mercier kam ins Blickfeld. Neben ihm saß ein kurzer stämmiger Mann in einem dreiteiligen Anzug.
«Hey, hey, hey», sagte der dicke Mann munter. Er war in seinen Anzug hineingezwängt wie Zahnpasta in eine zu fest gerollte Tube.
«Ach du Schande!», sagte Hoffman.
«Hallo, Schätzchen», sagte der Dicke in Linas Richtung und tippte sich an einen imaginären Hut. Das war seine Art Charme – galant, versoffen, manipulativ. Er schien beinahe den ganzen Raum auszufüllen und wenig Platz für jemand anders zu lassen.
«Wer ist das?», fragte Lina. Sie wandte sich zu Mercier, der sie gelassen anstarrte, und dann zu Sam.
Sam Hoffman hatte plötzlich einen trockenen Mund bekommen. In irgendeinem Teil seines Unterbewusstseins, so wie ein Träumer schon das Ende seines Traums kennt, wenn er beginnt, hatte er geahnt, dass er sich irgendwann in diesem Raum mit diesem Menschen zusammen wiederfinden würde. Aber jetzt, da der Augenblick gekommen war, war er erschüttert. Er räusperte sich.
«Dies ist, bedauerlicherweise, mein Vater, Frank Hoffman.»
Für Bankiers ist nichts komisch, aber auf Merciers Lippen war gerade noch die Spur eines Lächelns zu erkennen. Er wandte sich an Lina. «Dieser Gentleman ist auch zufälligerweise der amerikanische Mittelsmann, von dem ich bei unserem letzten Treffen sprach. Er ist derjenige, der als Unterschriftsberechtigter für dieses Konto fungiert hat, für den Herrscher des Irak.»
Sam schloss die Augen. «Ach du Scheiße!», sagte er.
Hoffman senior ignorierte ihn. «Willst du mich nicht deiner Freundin vorstellen, mein Sohn?», sagte er und streckte Lina eine fleischige Hand entgegen.
Lina blickte zu Sam. Sie suchte Hilfe, und als sie keine erhielt, wandte sie sich wieder seinem Vater zu. «Ich bin Salwa Bazzaz», sagte sie.
Frank schnaubte. «Ach ja? Wie hübsch! Ich bin Donald Duck.»
Sie wurde rot. Sie blickte wieder zu Sam. «Sag ihm die Wahrheit», sagte er. «Er weiß Bescheid.» Sam wandte das Gesicht ab und starrte aus dem Fenster auf den ummauerten Garten. Er konnte es nicht ertragen, seinen Vater anzusehen.
«Ich heiße Lina Alwan», sagte sie.
«Nett, Sie kennenzulernen, Schätzchen», sagte Frank. «Sie sind ja viel hübscher, als die gesagt haben. Wie war’s in Bagdad?»
Linas Augen funkelten. Ihre Wangen wurden rot, als hätte sie gerade eine Ohrfeige bekommen. Sie versuchte, sich das alles zusammenzureimen. Was bedeutete das? In was für einer Beziehung stand dieser dicke alte Mann zu der Welt, die sie gerade verlassen hatte, der Welt des Qasr al-Nihayya? Sam starrte immer noch aus dem Fenster. So zornig hatte sie ihn noch nie erlebt. Der Schweizer Bankier, der die Begegnung mit
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