Blutgeld
amüsierter Distanz beobachtet hatte, ergriff das Wort.
«So, jetzt haben wir uns miteinander bekannt gemacht.» Er nickte Lina zu, und seine azurblauen Augen leuchteten. «Ich bin ja so froh, dass wir heute unter unseren richtigen Namen reisen. Das wird die Sache erleichtern.»
Mercier legte die Hände mit den Fingerspitzen zusammen. «Ich befinde mich in einem Dilemma», sagte er. «Als ich Miss Alwan zum ersten Mal begegnete, behauptete sie, die Familie eines wohlhabenden, inzwischen verstorbenen Kunden dieser Bank zu repräsentieren. Aber nachdem ich die Angelegenheit mit Mr. Hoffman senior besprochen hatte, wurde mir klar, dass Miss Alwan mich zu täuschen versuchte. Das ist eine ernste Angelegenheit, eine vertrauliche Kontonummer zu benutzen, um sich als Verwandter eines Kunden auszugeben. Die Frage ist, ob die Polizei benachrichtigt werden sollte. Möchte sich jemand von Ihnen dazu äußern?»
Niemand sagte etwas. Schließlich brach Sams Stimme das Schweigen. Er hatte sich vom Fenster abgewandt und starrte seinen Vater an. «Die Polizei zu benachrichtigen wäre unklug», sagte er.
«Wieso? Ihr Vater hat mir gesagt, dass Interpol bereits einen Antrag auf Miss Alwans Auslieferung an die britischen Behörden zirkulieren lässt. Wenn ich sie der Schweizer Polizei übergebe, würde ich nur meine Pflicht tun.»
«Verdammt richtig», sagte Frank.
Sam sah seinen Vater zornig an. Die beiden Männer taxierten einander über den Konferenztisch hinweg, nur ein paar Schritte voneinander getrennt.
«Es wäre unklug», sagte Sam langsam, «weil wir zwei sehr mächtige Verbündete haben. Wenn Sie nicht achtgeben, Monsieur Mercier, könnten Sie und Ihre Bank Schaden nehmen.»
Mercier wurde wütend. «Wollen Sie mir drohen?»
«Ganz und gar nicht. Ich unterrichte Sie nur, damit Sie Bescheid wissen.»
«Spiel hier nicht den knallharten Burschen!», unterbrach Frank. «Was ist das für ein Quatsch von wegen zwei Verbündete? Ich weiß Bescheid über deinen Kumpel Prinz Dingsda. Die Geschichte kenn ich, und weißt du was? Der rührt jetzt keinen Finger mehr für dich. Und wer ist der andere?»
«Der israelische Geheimdienst. Die haben mir geholfen, Lina aus Bagdad rauszubekommen. Falls wir von der Polizei verhaftet werden, werden sie entsprechende Maßnahmen ergreifen.»
«Was?», fuhr Lina dazwischen. «Das hast du mir nie erzählt.» Aber ihre Stimme wurde von Frank Hoffmans Donnerrollen überwältigt.
«Hast du deinen letzten Rest Grips verloren, Sohnemann? Ich hab dir doch gesagt, du sollst die Finger von diesen Scheißköpfen lassen.»
«Wie bitte?», sagte Mercier. Er räusperte sich. Er war es nicht gewohnt, dass Leute in seinem Konferenzzimmer solche Worte benutzten.
«Sind Sie taub, Himmelarsch?» Frank Hoffman sah den Bankier an und schlug mit der Faust auf den kostbaren alten Tisch. «Ich hab meinen Sohn gefragt, ob er seinen beschissenen Verstand verloren hat, weil er gesagt hat, dass er mit den Israelis zusammenarbeitet. Mannomann! Ich kann’s einfach nicht glauben, dass du dir so eine Nummer leistest. Das gibt Ärger. Da werden einige Leute durchdrehen.» Frank Hoffman schüttelte den Kopf. Er sah aufrichtig verzweifelt aus.
«Kann ich irgendwie behilflich sein?», fragte Mercier.
«Ja, können Sie. Indem Sie uns für ein paar Minuten allein lassen. Ich muss ein Wörtchen mit meinem Jungen reden und mit Miss Gumbah, oder wie sie heißt. Hätten Sie was dagegen?»
«Nein. Überhaupt nicht. Ich habe Verständnis dafür.» Mercier erhob sich und ging zur Tür. «Rufen Sie mich, wenn Sie fertig sind. Der rote Knopf am Telefon.»
Frank wartete, bis Mercier gegangen war, bevor er sich Lina und Sam zuwandte. Er drohte ihnen mit seinem kurzen dicken Finger.
«Diese Scheiße muss endlich aufhören! Ihr versaut mir da was, was mich harte Arbeit gekostet hat. Ist euch das klar?»
«Verschon uns mit deiner Predigt.»
«Nein, Kleiner, das ist mein Ernst. Ihr versaut mir da was, und zwar gewaltig. Diese Geschichte mit den Israelis war jetzt noch das Tüpfelchen auf dem i.»
«Kaum zu glauben, Dad. Vor allem seitdem sich herausgestellt hat, dass du für den größten Verbrecher dieses Planeten gearbeitet hast.»
Frank schüttelte den Kopf. «Ihr habt keine Ahnung, was? Ich meinte, ihr habt keinen blassen gottverdammten Schimmer.»
«Verpiss dich, Dad», sagte Sam. Ein ganzes Leben aufgestauter Wut war in diese drei Worte gepresst.
«Werde endlich erwachsen, Junior. Mach die Augen auf. Hier steht dein
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