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Blutgeld

Blutgeld

Titel: Blutgeld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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um.» Hoffman blieb stehen und starrte direkt vor sich in die Touristeninformation. Er fühlte sich wie der aus der Unterwelt aufsteigende Orpheus, dem verboten war, sich nach seiner Geliebten umzusehen. Aber auf seinem Gesicht lag ein breites Lächeln. Er machte einen Schritt zur Seite auf Lina zu und tat so, als würde er ein Plakat an der Wand lesen.
    «Du wirst von einem Glatzkopf in einer Tweedjacke verfolgt», flüsterte sie. «Es gibt vielleicht noch andere, aber das ist der Einzige, den ich sehen kann. Versuch ihn abzuhängen und geh dann ins Intercontinental. Gerade den Hügel hoch. Nimm dir dort ein Doppelzimmer für Mr. und Mrs. Hoffman. Ich treffe dich dort heute Abend.»
    Hoffman lächelte immer noch, sah immer noch geradeaus. Er nahm seine Sonnenbrille ab und steckte sie in seine Tasche. Seine Augen blitzten wie das Wasser des Sees. Er stieß einen leisen anerkennenden Pfiff aus.
    «Mach, dass du wegkommst», flüsterte Lina. Sie drehte sich um und verschwand in der Damentoilette. Hoffman ging in die andere Richtung zur Herrentoilette. Dreißig Meter entfernt, unter einem Baum, wartete ein kahlköpfiger Mann in einem Tweedjackett, bis Hoffman wieder erschien, und nahm dann seine stumme Verfolgung wieder auf.

36
    Der Türsteher vom Intercontinental beäugte Lina skeptisch, als sie sich durch die Drehtür schob. Da war etwas an ihr, was nicht zusammenpasste: die wasserstoffblonden Haare und der unförmige grüne Mantel, der zuversichtliche Gang und der misstrauische Blick. Er beobachtete sie, wie sie zu den Hausapparaten ging, oben anrief und dann zum Lift hinüberschlenderte. Der Türsteher hatte dieses Ballett schon tausendmal gesehen. Dies war immerhin früher ein OPEC -Hotel gewesen, wo die Ölprinzen sich einmal im Jahr einfanden, um die Preise festzusetzen und sich zu amüsieren. Trotzdem, die Geschäftsführung behielt die Dinge gern im Auge. Der Türsteher fing Lina ab, als sie sich der Aufzugzeile näherte. «Kann ich Ihnen helfen, Madame?»
    Lina starrte ihn an, als wäre er ein Wilder. «Ich bin Mrs. Hoffman», sagte sie eisig. «Ich bin auf dem Weg zu meinem Mann in Zimmer achthundertzehn.» Der Türsteher bedachte sie mit einem skeptischen Blick, zog sich aber wieder zurück. Es spielte eigentlich keine Rolle, solange sie ihre Kunden nicht in der Lobby ansprach.
    Die Tür war bereits offen, als Lina das Zimmer erreichte. Hoffman umarmte sie, schloss sie in seine Arme und tat dann einen Schritt zurück, um sie zu betrachten. Sie lebte! Sie hatte noch Arme und Beine. Sie hatte die Schrecken ertragen, die sie in Bagdad durchlitten hatte. In ihrem Gesicht sah er Spuren von etwas, das neu war: eine tiefe Traurigkeit in ihren Augen und eine Härte in der Wangenpartie. Und da war noch etwas anderes. «Deine Haare», sagte er. Erst jetzt hatte er die neue Farbe bemerkt.
    «Wie gefällt’s dir?»
    «Es steht dir.»
    Lina lachte. «Es steht mir nicht. Arabische Frauen sehen albern aus mit blonden Haaren.» Sie fuhr sich durch den steifen blonden Pelz und zwinkerte Hoffman zu. «Ich brauche übrigens deinen Zimmerschlüssel. Der Türsteher unten hält mich offenbar für ein Callgirl.»
    Hoffman wirkte verlegen. Er gab ihr den Schlüssel und setzte sich dann auf die Couch. Lina setzte sich zu ihm, und dann saßen beide eine Weile da und sahen schweigend zum Fenster hinaus und wussten nicht, was sie einander sagen sollten. Der Salon von Hoffmans Suite hatte einen Panoramablick auf den Genfer See. Die Neonreklamen auf den Gebäuden am Südufer zeichneten im Dunkeln wässrige Werbung für die Middle Eastern Airlines und japanische Elektronikfirmen. Lina rückte auf der Couch näher zu ihm heran, aber nur ein paar Zentimeter. Er schien ihr nicht zu nahe kommen zu wollen, als habe er Angst, sie könnte seine Berührung nach der Folter nicht mehr ertragen.
    «Meinst du, man hat dich bis hierher verfolgt?», fragte sie.
    «Nein. Ich habe den Typ in dem Tweedjackett irgendwo draußen in der Nähe von Vaud zurückgelassen, auf der Strecke Richtung Zürich. Er denkt, ich habe mir dort ein Fremdenzimmer genommen.»
    «Hast du aber nicht», sagte sie. «Du bist hier, bei mir.»
    Hoffman sah sie neugierig an, unsicher, ob sie ihn ermunterte oder ihn subtil zurückwies. Lina wusste es selbst nicht genau. Er ergriff ihre Hand. Er hatte Tränen in den Augen.
    «Ich bin einfach so froh, dass du noch lebst», sagte er. «Ich dachte, du wärst tot.»
    Sie drückte seine Hand. Es war Hoffman, der getröstet werden

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