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Blutgeld

Blutgeld

Titel: Blutgeld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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andere?»
    «In einem andern Gedicht hatte Jawad ein Wortspiel auf eine der Lieblingsparolen der Partei gemacht. Sie skandieren doch immer
‹Umma Arabiya Wahida That Risalatin Khalida›
. Das bedeutet ‹Vereinigte Arabische Nation mit einer Ewigen Botschaft.› Er änderte
Umma
in
Rajiya
um, sodass die Parole jetzt ‹Vereinigte Arabische Rückständigkeit mit einer legendären Botschaft› hieß. Es war albern, aber die Leute mussten lachen.»
    «Und deswegen haben sie ihn verhaftet?»
    «Ja.»
    «Was haben sie mit ihm gemacht?»
    «Sie haben ihn gefoltert. Das machen sie mit allen, damit sie gestehen.»
    «Was gestehen?»
    «Dass sie für Israel spionieren oder für Amerika oder für England. Was auch immer. Aber für Jawad war es schwer. Er war Dichter. Er hatte nichts zu gestehen.»
    «Aber sie haben ihn trotzdem gefoltert.»
    «Ja. Die brauchen keinen Grund.»
    Hoffman war unsicher, ob er die nächste Frage stellen sollte, aber er hatte sich vom ersten Moment an, wo Jawad in die Party hereingeplatzt war, in seine Geschichte hineinziehen lassen. «Was ich mich vorhin schon gefragt habe: Wie hat Jawad eigentlich sein Augenlicht verloren?»
    «Ich weiß nicht, ob Sie das wirklich hören wollen.»
    Es entstand ein langes Schweigen. Sie betrachtete ihre Zigarette, schüttelte traurig den Kopf und warf sie aus dem Fenster. Dann begann sie wieder.
    «Der Chef der Geheimpolizei hat Jawad persönlich verhört, weil er es gewagt hatte, sich über den Herrscher und die Partei lustig zu machen. Beim Verhör rauchte er eine Zigarette nach der anderen. Wenn er eine fertig geraucht hatte, drückte er sie auf Jawads Körper aus, auf Armen, Füßen, Gesäß, Geschlechtsteilen, überall.»
    Hoffman holte tief Luft. Er wusste, was jetzt kommen würde. Lina setzte ihre Geschichte fort, mit ruhiger Stimme, und starrte dabei aus dem Fenster.
    «Nach mehrstündigem Verhör hatte Jawad immer noch nicht gestanden. Und dann hat der Chef der Geheimpolizei schließlich seine Zigarette in Jawads Auge ausgedrückt, während die Wachen ihn festhielten.»
    Hoffman stockte der Atem. Er fasste sich unwillkürlich ans Gesicht.
    «Dann hat sich der Mann noch eine Zigarette angezündet und sie in Jawads anderem Auge ausgedrückt.»
    Hoffman schüttelte den Kopf. «Mein Gott!», sagte er. «Was für ein Land.»
    «Jetzt wissen Sie’s. So sind sie, die Männer des Herrschers. Deswegen hat auf der Party keiner was gesagt. Deswegen sollten Sie nicht zu viele Fragen stellen.»
    «Es tut mir leid.»
    «Ist schon in Ordnung. Sie sind Amerikaner. Sie denken anders als wir.»
    Hoffman saß lange wortlos da und ließ dann den BMW an. «Wo möchten Sie hin?», fragte er.
    «Fahren Sie mich bitte nach Hause.» Sie nannte ihm eine Adresse in Notting Hill. Aber Hoffman ging immer noch der irakische Dichter durch den Kopf.
    «Wieso haben sie Jawad überhaupt am Leben gelassen, nach alledem? Folterer bringen ihre Opfer gewöhnlich um.»
    «Sie wollten Werbung machen.»
    «Was meinen Sie damit?»
    «Die irakische Geheimpolizei zeigt gerne, wie grausam sie sein kann. Deswegen haben sie Jawad nach England ausreisen lassen, damit er allen Exilanten hier Angst macht. Sie haben gedacht, er würde sich hier irgendwo in einem Apartment verkriechen. Aber sie hatten nicht damit gerechnet, dass er so mutig sein würde.»
    «Wieso ist er heute Abend auf die Party gekommen? Er ist ja offensichtlich kein Freund von Darwish.»
    «Um ihnen zu zeigen, dass er keine Angst hat.»
    «Was werden sie mit ihm machen?»
    «Ihn umbringen. Früher oder später. Es wird ihnen nichts anderes übrigbleiben.»
    Hoffman wartete eine paar Augenblicke, legte dann den Gang ein und fuhr den Hügel hinunter. Schweigen breitete sich im Wagen aus. Hoffman brach es nicht. Er hatte für diesen Abend genug Fehler gemacht. Während der Fahrt fühlte er sich immer unbehaglicher. Als sie bei Linas Wohnung ankamen, drehte er sich zu ihr.
    «Ich war heute Abend nicht hundertprozentig ehrlich zu Ihnen», sagte er. «Ich muss Ihnen etwas sagen.»
    «Bitte nicht», sagte sie und wandte sich ab. Sie wusste, was es war, oder ahnte es, und sie wollte es nicht hören.
    «Ich muss, damit Sie verstehen. Kennen Sie einen Filipino namens Ramón Pinta? Er arbeitet als Koch für Hammud. Er hat gesagt, er kennt Sie.»
    Sie nickte. Ein Ausdruck blanken Entsetzens hatte sich über ihr Gesicht ausgebreitet. Das Schlimmste, was ihr passieren konnte, passierte ihr jetzt gerade.
    «Er hat mich letzte Woche aufgesucht, wegen

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