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Blutgeld

Blutgeld

Titel: Blutgeld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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würde sie ihn einfach wieder aus dem Wagen werfen. Eine Frau in einem Porsche genoss Ansehen. Sie war ein Objekt der Begierde und zugleich mit der Schnelligkeit und Stärke ausgestattet, jederzeit zu entkommen. Lina wusste, wenn sie aufhören würde, für Hammud zu arbeiten, dann könnte sie es sich aus dem Kopf schlagen, jemals mit einem Porsche irgendwohin zu fahren. Stattdessen würde sie zusammen mit den anderen jungen Araberinnen in den Topf geworfen werden und müsste versuchen, ein «braves Mädchen» zu werden. So wie all die anderen
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, die sich wie Jungfrauen benahmen, selbst wenn sie keine mehr waren, um sich einen Mann zu angeln. Ein unerträglicher Gedanke für sie.
    Lina war jetzt fast in Knightsbridge. Zu ihrer Rechten sah sie das klotzige Podest des Albert Memorial, ein nüchternes rotes Backsteindenkmal zu Ehren des idealen viktorianischen Ehemannes. Die Statue erinnerte Lina an ihren Vater. Als er in den Jahren vor seinem Tod sichtlich gealtert war und zunehmend teilnahmsloser wurde, hatte Mr. Alwan ganze Tage im Hyde Park verbracht. Er las die arabischen Zeitungen und grübelte über seine verschiedenen geschäftlichen Rückschläge nach. Das war die eine große Schwäche ihres Vaters gewesen – seine Unfähigkeit, Geld zu machen –, und Lina vermutete, dass dies der Grund für ihre gegenwärtigen Schwierigkeiten war. Mr. Alwan war ein weiser und kultivierter Mann gewesen, ein Mann der arabischen Aufklärung, der seine Tochter auf amerikanische Schulen in Bagdad und Amman und dann auf die Universität in London geschickt hatte, der jede akademische Auszeichnung, die sie bekommen hatte, auskostete, als wäre es seine eigene gewesen. Aber er hatte nur langsam begriffen, dass sein so geliebtes Zeitalter der Aufklärung überall um ihn herum zusammenbrach. In dieser neuen Ära behandelten die einfachsten und rückständigsten aller Araber – die Beduinen der Wüste – die gebildeten Araber wie Kamele. Die Iraker, früher einmal das gelehrteste aller islamischen Völker, wurden nun von einem Clan von Schlägern und Folterern regiert. Und die Briten und Amerikaner, diese Missionare des Fortschritts, warfen sich plötzlich sowohl vor den Beduinen als auch vor den Schlägern nieder.
    Vor seinem Tod war Linas Vater dazu übergegangen, es das
Asr al-Jahiliyya
zu nennen, das neue Zeitalter der Ignoranz, wie jenes, das auf der Arabischen Halbinsel vor der Ankunft des Propheten Mohammed geherrscht hatte. In so einer Welt war die einzige Sache, die Lina verstand, dass sie Geld brauchte. Geld und Schweigen, das waren die Schlüssel zum Überleben im neuen Zeitalter der Ignoranz. Geld bedeutete Unabhängigkeit und eine gewisse Sicherheit, selbst wenn es von Nassir Hammud kam. Schweigen bedeutete Überleben. Als Lina sich dem grauen Betonbau auf Knightsbridge näherte, dachte sie wieder an ihren Porsche. Wollte sie einen weißen haben oder lieber einen schwarzen?
     
    Lina nahm den Lift in den fünften Stock und gab den Code in das Ziffernschloss ein, worauf sich die schwere Tür zur Buchhaltungsabteilung öffnete. Es war erst kurz nach acht, und die Büros waren noch fast leer. Sie ging den ägyptischen Kaffeejungen suchen, aber als sie ihn nicht fand, machte sie sich selbst eine Tasse. Dann ließ sie sich an ihrem grauen Schreibtisch nieder, schaltete ihren Computer ein und begann mit der täglichen Buchprüfung.
    Die EDV -Anlage von Coyote Investment entsprach völlig Mr. Hammuds Sicherheitswahn. Er hatte sie mit dem Instinkt des Geschäftsmannes angeschafft, der weiß, dass er die moderne Technik braucht, um effektive Arbeit zu leisten, gleichzeitig aber den freien Zugang zu ihr beschränken muss, um alles unter Kontrolle zu haben. Das war typisch für die Iraker, die als Einzige unter den Arabern so viel Respekt vor der Technologie entwickelt hatten, dass sie sie um jeden Preis kontrollieren wollten. Das Regime in Bagdad verfolgte zum Beispiel die Praxis, an der Grenze sämtliche Schreibmaschinen zu beschlagnahmen. Selbst in diesen einfachen Geräten sah man mächtige Instrumente der Information, die in die Hände des Regimes gehörten statt in die seiner Feinde. Mr. Hammud verfolgte die gleichen Prinzipien bei Coyote.
    Linas eigentliche Aufgabe als Systemadministratorin bestand darin, ihre Arbeitskollegen zu bespitzeln. Natürlich bezeichnete Mr. Hammud es nicht so, aber darum ging es. Er und Professor Sarkis hatten ein System installiert, das eine riesige Überwachungsanlage war.

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