Blutgeld
Kopfschmerzen.»
22
Hoffman saß in seinem BMW mit ausgeschalteten Scheinwerfern gegenüber von Linas Wohnung im Landsdowne Walk. Aus dem nachmittäglichen Regen war ein Dunstschleier geworden. Er beobachtete die Leute, die die Häuser in der Straße betraten oder verließen, aber es schien sonst niemand das Gebäude zu überwachen. Er hatte schon seit fast zwei Stunden gewartet, als er eine Frau um die Ecke kommen sah. Sie trug einen Regenschirm, der ihr Gesicht verdeckte, aber am Gang erkannte er Lina. Hoffman sprang aus dem Wagen und lief über die Straße. Er ergriff ihre Hand.
«Machen wir eine Spazierfahrt. Wir müssen miteinander reden.»
Sie folgte ihm schweigend zum Wagen, und als sie saß, zog sie ihren Regenmantel aus. Sie war nass bis auf die Haut. Hoffman fuhr ein paar Straßen in westliche Richtung, um zu sehen, ob ihnen irgendjemand folgte, und kehrte dann zur Hauptstraße zurück. Die Straßen glänzten vor Nässe, die im Scheinwerferlicht silbern wirkte.
«Es gibt ein Problem», sagte Hoffman. «Hammud ist wieder da.»
«Ich weiß», sagte Lina. «Er hat heute eine Versammlung in seinem Büro abgehalten, um seine Rückkehr zu feiern. Er sah sehr munter aus, als hätte er gerade im Lotto gewonnen.»
«Er hat Sie immer noch im Visier, Lina.»
«Wie meinen Sie das?»
«Ich meine, er macht sich Sorgen Ihretwegen. Er denkt, Sie haben rausgekriegt, wo sein Geld ist. Er denkt, Sie kennen alle seine Geheimnisse.»
«Woher wissen Sie das? Wer hat Ihnen das gesagt?»
«Ein Bankier, den ich kenne und der eine Menge über Hammuds Geschäfte weiß. Er hat mich gewarnt. Sie sollten sich in Acht nehmen, weil Hammud der Überzeugung ist, dass Sie alles wissen, und er hat mir gesagt, dass er hinter Ihnen her ist.»
«Scheiße», sagte sie.
Hoffman war überrascht. Er hatte sie noch nie fluchen hören. «Oberscheiße», erwiderte er.
Sie lachte. Sie hatte ihn auch noch nie fluchen hören. Aber das Lachen verstummte schnell wieder. «Und was soll ich tun?», fragte sie.
Hoffman überlegte einen Moment. Die Lage war auch nicht besser oder schlechter als einige Tage zuvor. Aber der Einsatz war höher. «Vielleicht brauchen Sie eine Versicherungspolice», sagte er.
«Danke. Vielleicht möchten Sie der Begünstigte sein.»
«Das habe ich nicht damit gemeint. Vielleicht sollten Sie das haben, was Sie nach Hammuds Meinung bereits haben; dann könnten Sie damit zur Polizei gehen oder einen Deal mit ihm vereinbaren. Das ist Ihr einziges Druckmittel. Sonst bleibt Ihnen nur die Alternative wegzulaufen.»
«Wie weit würde ich denn kommen?», fragte sie. Aber sie meinte es nicht ernst. Sie wusste nicht, wohin sie fliehen sollte, und, entscheidender, sie wollte es gar nicht. «Ich habe es satt, immer wegzulaufen», sagte sie. «Und er würde mich sowieso verfolgen, wenn er denkt, dass ich alle seine Geheimnisse kenne.»
Hoffman nickte. Es stimmte. Sie steckte inzwischen so tief drinnen, dass es nicht leicht war, überhaupt einen Ausweg zu finden. Der BMW wurde langsamer, als sie sich dem Kreisverkehr von Shepherd’s Bush näherten. Hoffman fuhr Richtung Norden, wo das Gefängnis von Wormwood Scrubs lag, der Ort, den er sich für Nassir Hammud vorgestellt hatte.
«Und wie kann ich an diese Versicherung rankommen?», fragte Lina, während sie hinaus auf das dunkle, massige Gefängnis starrte.
«Sie brauchen die Dateien», sagte er. «Entweder das oder …» Er hielt inne, um sich eine andere Möglichkeit zu überlegen.
«Oder was?»
«Oder Sie geben auf», sagte Hoffman.
Hoffman bot ihr an, zusammen essen zu gehen oder bei ihm zu Hause noch einen Drink zu nehmen, aber es lag nicht viel Überzeugung in seiner Stimme. Er wusste, dass es nicht die richtige Nacht für so etwas war. Als er Lina vor ihrer Wohnung im Landsdowne Walk absetzte, gab sie ihm einen Kuss auf die Wange und ging schnell nach oben. Sie saß über eine Stunde lang in ihrer dunklen Wohnung und grübelte darüber nach, wie sie das Computersystem von Coyote knacken könnte. Vorher, als Systemadministratorin, hatte sie theoretisch Zugriff auf jede Datei gehabt. Zwar konnte ihre Tätigkeit überwacht werden, um sicherzugehen, dass sie sich nicht Hammuds Dateien ansah, jetzt aber hatte sie überhaupt keinen Zugang mehr zu Hammuds Geheimnissen.
Das System sollte eigentlich unverwundbar sein. Und doch war es ein Glaubensgrundsatz unter professionellen Informatikern, dass es so etwas wie ein unverwundbares System nicht gab. Es gab immer eine
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