Blutgeld
Knoblauchmundgeruch, dem Gegrunze und Gestöhne der vorherigen Sicherheitsbeamten Hammadi und Alani. Lina suchte einen Bügel.
«Wo haben Sie denn Ihr amerikanisches Englisch gelernt?»
«An der University of California in Santa Barbara», sagte er. «Aber jetzt bin ich meistens in Tunis. Oder war es, bis Mr. Hammud mich engagiert hat. Ich heiße Hassan, aber meine Freunde in Kalifornien nennen mich Haas.»
«Okay, Haas. Was verschafft mir die Ehre?»
Er ignorierte die Frage, aber er hatte immer noch dieses freundliche, entspannte Lächeln auf dem Gesicht. «Wie ich höre, hatten Sie vor kurzem einige Probleme. Mit Professor Sarkis.»
Lina fiel auf, dass Sarkis und nicht Hammud erwähnt wurde. «Ja, stimmt. Aber ich hoffe, ich bin nicht in irgendwelche Schwierigkeiten geraten. Wie ich schon zu Mr. Hammud und Professor Sarkis gesagt habe, war ich immer bemüht, eine loyale Mitarbeiterin zu sein.»
«Nein, ich glaube, es liegt nichts Ernstes vor. Sarkis ist jetzt Schnee von gestern, und ich glaube, Mr. Hammud würde gerne einen neuen Anfang machen.» Er drehte seine Hand langsam um, mit den kontrollierten Bewegungen eines Mannes, der gewohnt war, Fünfzig-Kilo-Gewichte zu stemmen. Seine Handgelenke sahen wie dicke Brecheisen aus, gerade sichtbar unter den gestärkten Manschetten seines Hemds.
«Wirklich?»
«O ja, Ich glaube schon. Ich bin mir sogar ganz sicher, dass er das will. Mr. Hammud ist gar nicht so ein übler Kerl, wissen Sie. Er arbeitet einfach nur zu viel. Zuviel Stress.»
Lina nickte. Zuviel Stress! Sie versuchte immer noch, den gutgekleideten jungen Mann einzuschätzen, der ihr da gegenübersaß. Seine Stimme hatte die glatte, narkotisierende Wirkung eines teuren Hustensafts. Das Angsteinflößende an ihm war gerade diese Verbindlichkeit und eine Andeutung von unterdrückter Gewalttätigkeit, die hinter der Kleidung und seinem Gehabe lauerte.
«Wir würden gerne sehen, wie Sie sich in Ihrem alten Job bewähren», sagte er. «Hier in der EDV . So wie vorher. Wie finden Sie das?»
«Wunderbar», sagte Lina. «Vielen Dank.» Mit seinem wachsweichen Psychogelaber war er ihr unheimlicher als die alte Sorte von Schlägern.
«Also dann. Ich weiß, dass Sie eine Menge Arbeit zu erledigen haben, und ich wollte wirklich nur kurz vorbeischauen und mich vorstellen. Wir freuen uns, Sie wieder hierzuhaben. Wenn Sie irgendwas benötigen, brauchen Sie mich nur zu fragen.»
Er nahm sein Jackett von der Stuhllehne und schüttelte ihr die Hand mit einem Griff, der so wenig Fleisch und so viel Muskel hatte, dass er sich wie der eines Roboters anfühlte. Lina blickte ihm hinterher, wie er auf leisen Kreppsohlen den Flur entlangging, und versuchte sich darüber klarzuwerden, ob er das wirklich alles gemeint hatte. Als sie wieder allein an ihrem Schreibtisch saß, kam sie zu dem Schluss, dass es eigentlich keine Rolle spielte. Ganz gleich ob er es ernst gemeint hatte, dass Hammud einen neuen Anfang machen wollte: Ihr Entschluss stand fest. Sie brauchte nach wie vor ihre «Versicherung». Sie sah auf ihre Armbanduhr. Sie würde zur Mittagszeit loslegen. Es blieben ihr noch drei Stunden zum Totschlagen.
Als es auf halb eins zuging, begann sich die Buchhaltungsabteilung zu leeren. Lina sah zu, wie die «vertrauenswürdigen Mitarbeiter» zu den Aufzügen strebten. Der Computerraum, auf dem Flur direkt gegenüber ihrem Büro, war leer. Sie hatte ihn den ganzen Vormittag über beobachtet, und es war niemand hineingegangen. Lina spähte zu ihrer Tür hinaus, den Flur hinunter. Es war niemand zu sehen. Sie ging schnell über den Flur zum Computerraum und öffnete die Tür einen Spalt. Er war leer. Sie ging hinein und schloss die Tür von innen ab. Es war kühl und still. Die Hardware war an einer Wand aufgestellt, wie eine Reihe kleiner Kühlschränke. Mach schnell, ermahnte sich Lina. Die Sicherungsbänder finden und nichts wie raus.
Sie konnte sie zuerst nicht finden. Die Regale, auf denen noch vor einigen Tagen Ordnung geherrscht hatte, waren jetzt mit Zuckertüten und Plastiklöffeln übersät. Irgendjemand hatte ganz oben ein Männermagazin mit nackten Frauen offen liegen lassen. Yussef konnte einem nur noch leidtun, wirklich. Schließlich fand sie das aktuellste Band und stopfte es in ihre Handtasche. Sie schnappte sich auch noch ein leeres Band, für den Fall, dass sie eine Kopie machen musste, und steckte es ein.
Sie überlegte sich kurz, ob sie auch noch das Handbuch für das Betriebssystem mitnehmen
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